Club-Idol Steff Reisch geht in Rente

Der Meisterspieler von 1961 will seinen Toto- und Lottoladen mit 67 Jahren aufgeben. Die Erlenstegener werden das Labyrinth aus Zeitschriften, Füllern, Ritterburgen und FCN-Artikeln vermissen.
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Wechselte vom grünen Rasen in eine kunterbunte kleine Welt: Steff Reisch (67).
Berny Meyer 3 Wechselte vom grünen Rasen in eine kunterbunte kleine Welt: Steff Reisch (67).
Ein Filigran-Techniker am Ball: Steff Reisch, hier mit Nandl Wenauer.
abendzeitung 3 Ein Filigran-Techniker am Ball: Steff Reisch, hier mit Nandl Wenauer.
Seinen Laden in der Äußeren Sulzbacher Straße gibt er zum Jahresende auf.
Berny Meyer 3 Seinen Laden in der Äußeren Sulzbacher Straße gibt er zum Jahresende auf.

NÜRNBERG - Der Meisterspieler von 1961 will seinen Toto- und Lottoladen mit 67 Jahren aufgeben. Die Erlenstegener werden das Labyrinth aus Zeitschriften, Füllern, Ritterburgen und FCN-Artikeln vermissen.

Früher hat er seine Gegner schwindlig gespielt, konnte aber ebenso rustikal hinlangen. Die Kunst ist geblieben, das Grätschen überlässt Club-Idol Stefan „Steff“ Reisch heute lieber seinen „Damen“. Kaum schallt sein „Kundschaft“ durch den verwinkelten Schreibwarenladen in der Äußeren Sulzbacher Straße, schnellt eine freundliche Verkäuferinnen aus der Tiefe des Raums hervor. Viel hat sich also nicht geändert zu damals, als Reisch beim „Ruhmreichen“ den Takt vorgab: Der elegante Maestro steht täglich ab 7.30 Uhr hinter der Kasse und passt seinen Verkäuferinnen die Kundschaft zu – ein eingespieltes Team eben.

Stets ein offenes Ohr für Cluberer

Das womöglich demnächst vor einem Wechsel steht. Denn der 67-Jährige trägt sich schon länger mit dem Gedanken, die Zwölf-Stunden-Arbeitstage an den Nagel zu hängen. Möglichst noch dieses Jahr will er sein 155 Quadratmeter großes Lotto-Toto-Reich im Nürnberger Nobelviertel Erlenstegen verkaufen. „Ich hab ein großes Haus und einen großen Garten, da gibt’s genug zu tun“, erklärt Reisch den angestrebten Schritt ins Rentner-Dasein.

Die Erlenstegener werden das Labyrinth aus Zeitschriften, Füllern, Ritterburgen und FCN-Artikeln vermissen. Generationen von Schülern haben hier ihr Brezengeld gegen Gummibärchen eingetauscht, Eltern ihren Früchtchen den neuesten Ranzen gekauft – und für seine Cluberer hat der Meisterspieler von 1961 natürlich stets ein offenes Ohr.

Seine aktive Karriere beendete Reisch zwar 1972 beim FC Basel. Dem FCN, bei dem sich der Sohn eines Druckers als linker Außenläufer einen Namen gemacht hatte, ist er trotzdem treu geblieben. Reisch: „Am ehesten könnte man meine Position heute mit der eines Tomas Galasek oder Marco Engelhardt vergleichen.“ Also der Arbeiter im linken Mittelfeld mit der feinen Technik. FCN-Coach Herbert Widmayer erkannte früh die Extraklasse des gebürtigen Ungarn und holte ihn 1960 mit 18 Jahren von der Jugend in die Erste, der späteren Meistermannschaft um Morlock, Wenauer, Strehl, Flachenecker und Co. Der Titel folgte mit 19, ein Jahr später der DFB-Pokal.

Vielleicht seine größte Niederlage: Bei der Meisterschaft 1968 war Reisch nicht dabei. Der James Dean-Fan, der wie sein Idol gern mal rebellierte, hatte sich ein Jahr zuvor mit seinem streitbaren Trainer Max Merkel überworfen und war darauf in die Schweiz nach Neuchâtel gewechselt.

„Auf den Club ist eben Verlass!“

Immer mit dabei: seine Frau Irene. „Ganz alleine wär’s ja auch nichts gewesen“, so der Weltenbummler. Nach weiteren Stationen in Belgien und wieder der Schweiz, wo heute sein Sohn Mario eine Tanzschule betreibt, war dann Schluss. Neunmal wurde Reisch zudem in die Nationalmannschaft berufen. Schon während seiner aktiven Zeit hatte Reisch sich mit dem Laden ein zweites Standbein geschaffen. Heute vollkommen unvorstellbar: „Die Spieler haben das doch gar nicht mehr nötig.“ Vom Club gab’s damals 450 Mark. Reisch: „Michael Ballack verdient pro Woche 175.000 Euro. Das ist absurd.“ Neidisch ist er aber nicht: „Wir hätten das Geld natürlich auch genommen.“

Und gereicht hat es ja trotzdem. In den 80ern war sein Laden eine wahre Goldgrube. „Da standen die Leute bei Schulanfang in Schlangen vor dem Geschäft“, erinnert sich der gelernte Möbelkaufmann. Vier Azubis und zehn festangestellte Verkäuferrinnen habe er damals beschäftigt. Heute sind es noch sieben, einige davon sind Teilzeitkräfte. Schuld am Niedergang der Branche seien Aldi, Lidl und Co, die zu Schulanfang Schreibwaren zu Schleuderpreisen anbieten: „Da können wir nicht mithalten, die Einkaufsmärkte machen uns kaputt!“ Nur Lotto laufe weiterhin gut. Und der Ticketverkauf für die Heimspiele des FCN, so Ehrenmitglied Reisch: „Auf den Club ist eben Verlass!“

Was Steff Reisch vom aktuellen Club-Kader hält und mehr über Alt-Stars vom FCN lesen Sie in der Printausgabe Ihrer AZ am Montag, 18. August.

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