Claudia Stamm von Mut: Persönliches Interview zur Landtagswahl

Ex-Grüne Claudia Stamm hat sich nach dem Tod ihres Mannes weitgehend aus dem Wahlkampf zurückgezogen. Auf einen Erfolg ihrer Mut-Partei hofft sie dennoch.
München - Die 48-Jährige war Mitglied der Grünen, bis sie die Partei verließ und ihre eigene gründete: Mut. Seitdem sitzt sie als fraktionslose Abgeordnete im Landtag.
AZ: Frau Stamm, Ihre Partei Mut tritt am Sonntag bei den Landtagswahlen mit an. Wie viele Mitglieder haben Sie?
CLAUDIA STAMM: Es sind in etwa 440, darunter sehr viele, die vorher in keiner Partei waren, aber sagen, die Demokratie ist in Gefahr. Auch ehemalige Mitglieder der CSU und SPD sind dabei. Menschen, die sich engagieren, weil die Zeiten sich geändert haben – wie zum Beispiel Stephan Lessenich, mein Co-Vorsitzender und Mitgründer der Partei oder der Radiomoderator und Kabarettist Matthias Matuschik.
Warum kommen sie speziell zu Mut?
Weil die anderen Parteien ihre eigenen Grundwerte oft nicht mehr vertreten. Bei der SPD denken wohl die wenigsten noch an soziale Gerechtigkeit. Und bei den Grünen an die Friedenspartei, die sie von den Ursprüngen her auch waren.
Nach dem unerwarteten Tod Ihres Mannes im Juli haben Sie sich aus dem Wahlkampf ziemlich zurückgezogen, engagieren sich aber weiterhin für Mut. Woher nehmen Sie die Kraft, auch für dieses Interview?
Ich bin so weit engagiert, so weit meine Kräfte es zulassen. Das ist natürlich nur ein kleiner Bruchteil dessen, was sonst möglich ist. Ich mag ja Wahlkampf – sehr.

Dennoch – wie behalten Sie in dieser Situation den Mut?
Ich sehe mich nicht als mutig. Dass ich eine Frau bin, die viel Kraft hat, das ist klar. Sonst hätte ich eben auch andere Wahlkämpfe oder Politik nicht so gemacht, wie ich sie gemacht habe. Gerade auch zuletzt, als fraktionslose Abgeordnete, wo ich ja immer dran blieb und oft als erste oder auch als einzige ein Thema benannt habe.
Mut hat PAG zuerst kritisiert
Zum Beispiel?
Das Polizeiaufgabengesetz zum Beispiel, da war ich quasi ein Jahr lang die einzige, die gesagt hat, welche Gefahr davon ausgeht – die erste Reform ist 2017 gemacht worden, und da standen schon die Hämmer drin. Auch beim Psychiatriegesetz habe ich bis zum Schluss noch Änderungsanträge eingebracht, während die Freien Wähler und die SPD dem Entwurf der CSU zugestimmt haben. Alles, was ich gemacht habe, habe ich immer als notwendig empfunden. Auch der Schritt raus aus den Grünen war nicht mutig, sondern notwendig.
Was unterscheidet Ihre Partei Mut von den anderen?
Wichtig ist für uns, dass es Positionen gibt, die unverhandelbar sind. Bei allem Gerede, "man muss auch Verantwortung übernehmen, dafür geht man in die Politik" – es kann mir niemand erzählen, dass nachher mit einer Regierung, in der die CSU ein großer Bestandteil ist, auf einmal die sogenannten Ankerzentren in Bayern abgeschafft werden. Oder dass es keine Abschiebungen nach Afghanistan mehr gibt. Das ist doch lächerlich. Wer glaubt denn an so etwas?
Damit meinen Sie die Grünen, die jetzt auf eine Regierungsbeteiligung hoffen.
Die Grünen und die SPD, wenn sie damit liebäugelt, auch wenn sie das nicht sagen. Abgesehen davon, dass die SPD ja verantwortlich ist dafür, dass überhaupt nach Afghanistan abgeschoben werden kann, weil sie das Außenministerium führt, das die Sicherheitslage einschätzt.
Realistisch gesehen wird Mut bei der Landtagswahl eher nicht sehr weit kommen. Worauf hoffen Sie?
Natürlich ist es eine große Hürde, das ist uns allen bewusst. Es wäre uns aber schon einfach geholfen, wenn nicht alle Leute taktisch wählen würden. Das ist das eine. Und das andere ist, dass viele Menschen nicht über das spezifische bayerische Wahlsystem Bescheid wissen oder es vergessen haben.
Besonderheit: Erst- und die Zweitstimme werden addiert
Erklären Sie’s.
Anders als bei der Bundestagswahl werden hier die Erst- und die Zweitstimme zusammengezählt. Die Summe entscheidet, wie viel Prozent eine Partei erhält. Die Erststimme ist also nicht verloren, selbst wenn der Kandidat nicht das Direktmandat gewinnt.
Allerdings kämpft Ihre Partei unter extrem erschwerten Bedingungen. Neben Ihrem Mann ist noch ein weiteres der zwölf Gründungsmitglieder, Ralph Hoffmann aus Nürnberg, im Sommer gestorben.
Ja. Beide waren wahlkampferfahrene Mitglieder. Aber tatsächlich sind die Menschen in der Partei so engagiert und so toll und machen so eine Wahnsinns-Arbeit, dass sie das jetzt mittragen. Es sind sicherlich alle sehr belastet. Aber es ist wirklich genial, wie es gerade läuft.
Was ist Ihr persönlicher Plan B, falls Sie es nicht wieder in den Landtag schaffen?
Vor dem Tod meines Mannes habe ich mir da gar keine Gedanken darüber gemacht. Jetzt sind die Bedingungen natürlich erschwert. Nichtsdestotrotz habe ich bislang noch keine Zeit und Kraft gehabt, mir darüber Gedanken zu machen. Für mich ist wichtig, dass es für Mut weitergeht – gerade im Hinblick auf die Kommunalwahlen. Ich bin überzeugt davon, dass unser Politikansatz gebraucht wird.
Überspringt Mut die Fünf-Prozent-Hürde?
Auf welches Ergebnis am Sonntag stellen Sie sich ein?
Wir haben überhaupt keine Ahnung, wir sind ja nirgendwo abgefragt. Im Moment ist es so, dass alle bei Mut alles geben und darauf hinarbeiten, dass die Fünf-Prozent-Hürde geschafft wird. Es ist wichtig, dass die Menschen nach ihren Überzeugungen wählen, gerade in diesen Zeiten. Sollten sie stattdessen doch wieder taktisch wählen, müssen sie sich nicht wundern, wenn sich nichts ändert.
Und Mut könnte etwas verändern?
Die Frage ist doch: Was machen die Parteien, die laut Umfragen im Landtag sein könnten, für eine Politik? Es gab in allen Parteien einen strukturellen Rechtsruck, auch in der SPD und bei der Linken. Und da ist Mut die Lösung, ganz klar dagegen zu halten.
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Mut - 2017 gegründet
Eine Gruppe rund um die ehemalige Grünen-Abgeordnete Claudia Stamm hat die Partei Mut vor mehr als einem Jahr gegründet. Zuvor war Stamm, Tochter von Landtagspräsidentin Barbara Stamm, bei den Grünen ausgetreten. Ihr Landtagsmandat übt sie seitdem als fraktionslose Abgeordnete aus. Die Abkürung "Mut" steht laut Partei für mitbestimmen, umsteuern und teilen.
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