Chiemsee-Wrack: Tote Piloten in 57 Metern Tiefe geborgen
MÜNCHEN - Münchner Spezialisten haben das abgestürzte Flugzeug vom Grund des Chiemsees gehoben. Es lag 47 Tage auf dem Grund. Die toten Piloten aus Mühldorf saßen noch im Cockpit des Ultraleicht-Fliegers.
Spiegelglattes Wasser liegt über ihrem Grab. Ulrich W. (46) und Raimund E. (49) flogen am 28. November aus dem sonnigen Himmel in die ewige Dunkelheit. Ein Rundflug sollte es werden, ein Zeitvertreib, eine freie Stunde über den Wolken. Es endete 57 Meter tief im dunklen Wasser des Chiemsees. Es endete im Tod. Die Polaris FK 14 stürzte nordöstlich der Fraueninsel ab. Warum, weiß niemand.
47 Tage gab der See diesen Sarg der Mühldorfer nicht frei. Bis zum vergangenen Mittwoch.
Gegen 11 Uhr liegt die Lastfähre "Frauenwörth II" über der Absturzsstelle vor Anker. An Bord sind 30 Männer und zwei große Maschinen: Wasserwachtler, Polizisten, acht Spezialtaucher der Münchner Polizei und Angestellte der Münchner Tauchfirma "Taucherdienste Müller". Sie fanden das Wrack nach wochenlanger Suche am 13. Januar.
Um 12.50 gibt es ersten Kontakt
Der Plan: Im Trüben fischen. Geleitet von zwei ferngesteuerten Kameras mit Leuchtstrahlern lassen die Retter mit der Traktor-Seilwinde einen Haken in die Tiefe hinunter. Damit angeln sie nach mehreren Leinen des Not-Fallschirms. „Ob er ausgelöst oder hinausgeschwemmt wurde, wissen wir nicht", sagt Polizeisprecher Franz Sommerauer. Fünf Leinen wären optimal, jede von ihnen trägt rund 100 Kilo – die Polaris FK 14 mit ihrem Rumpf aus Aluminium und Faserverbundwerkstoffen wiegt 500. Ist das erst mal geschafft, hievt die Winde das Wrack mit den Leichen von Ulrich W. und Raimund E. bis auf zehn, zwanzig Meter unter die Wasseroberfläche. Dort fixieren die Taucher das, was vom Flugzeug übrig ist, mit Gurten. Der Unimog übernimmt und zieht es auf die Fähre. „Die Idee ist so einfach wie wirksam", sagt Sommerauer.
Es klappt. Um 12. 50 Uhr meldet die „Frauenwörth" ersten Kontakt. Sie haben die Leinen erwischt. Und ziehen das Flugzeug langsam nach oben.
Warum das Flugzeug am 28. November abstürzte, ist unklar. Ulrich W., HNO-Arzt aus Mühldorf, und sein Freund Raimund E., Altbausanierer aus Töging, Ehemann und Vater eines Sohnes, heben an jenem Tag gegen 15.30 Uhr vom Flugplatz Mühldorf-Mössling ab in die letzte Stunde ihres Lebens. Eine Frau aus Gstadt sieht später am Horizont aufspritzendes Wasser. Und Konrad Heistracher, ein bärengroßer Mann mit dichtem weißgrauem Bart, sitzt mit einer Bekannten auf der Hausbank vor seinem Hotel „Chiemseestern" über dem Hafen. Plötzlich zerreißen zwei Heultöne die diesige Luft. „Es klang wie ein Jaulen, zweimal", sagt Heistracher. „Wie ein Automotor, der auf einmal ohne Kupplung weiterläuft." Er weiß: Das ist ein Flugzeug. „Du, i glaab der foit oba", sagt er zur Bekannten. Am nächsten Morgen weiß er: Er hatte Recht.
Die Leichen kauern in ihren Sitzen
Wasserschutzpolizei, Feuerwehr, Polizeitaucher und Kameraden des Fliegerclubs Mühldorf suchen tagelang nach dem Flugzeug und seinen Insassen. Vergebens. Das Wrack fand Christian Müller. Seit dem 4. Dezember durchkämmte der Münchner Bergungsspezialist den Grund des Chiemsees. Er versuchte, das Wrack mit Sonar- und Unterwasserkameras zu orten. Am 13. Januar fand er, was er finden sollte.
Um 13.50 Uhr zieht der Kran ein weißes Etwas aus dem dunklen Wasser. Es ist windstill, das Wasser ruht blank und glatt wie polierter Marmor. Oder Eis. Sonnenstrahlen dringen vom Hochgern durch den Nebel hinab und schimmern über eine Tragfläche. Die andere wurde abgerissen. Das schmale Heck der Polaris ist geknickt, die 1,14 Meter breite Pilotenkanzel mit ihrem Stahlrohr-Sicherheitsrahmen aber ist ganz. Ulrich W. und Raimund E. kauern in den Sitzen.
Am Abend lädt die Fähre ihre tote Fracht am Gstadter Steg ab. Die Kriminalpolizisten untersuchen kurz die Leichen und bringen sie mit einem Schlauchboot an einen anderen Ort - wo, ist unbekannt. Von dort bringen Polizisten sie in die Gerichtsmedizin nach München. Jetzt können Familien und Flugkameraden richtig trauern und Ulrich W. und Raimund E. begraben. Diesmal richtig. In der Erde.
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