Chaos ums Rauchverbot! Die 12 wichtigsten Fragen
Noch ist offen, ob es zusätzliches Kontrollpersonal geben wird – und wer die Mitarbeiter dann bezahlt.
NÜRNBERG Am Tag nach dem Volksentscheid regiert das Chaos! 61 Prozent der Wähler haben für das absolute Qualmverbot in der Gastronomie entschieden. In Nürnberg waren es sogar 63,4 Prozent (AZ berichtete). Doch die Umsetzung des Verbots wird schwierig. Die AZ beantwortet die zwölf wichtigsten Fragen zum Verbots-Chaos.
1. Wer kontrolliert, ob das Rauchverbot eingehalten wird? Eine spezielle städtische „Raucherpolizei“ wird es nicht geben, sagt Robert Pollack vom Ordnungsamt. Seine Mitarbeiter werden im Zug ihrer normalen Kontrollen auch überwachen, ob das Verbot eingehalten wird. „Die Lebensmittelüberwachung kontrolliert fast jede Gaststätte einmal im Jahr. Dabei achten die Kollegen auf Details, die zeigen, ob das Verbot eingehalten wird.“ Zusätzliches Überwachungspersonal wird die Stadt nicht einstellen. „Wenn mehr Kontrollen gefordert werden, dann brauchen wir auch eine Finanzierung dafür“, so Pollack. Auch die Polizei sieht die Überwachung des Verbots „nicht als unseren Aufgabenschwerpunkt“, so Sprecher Peter Schnellinger. Sollte es allerdings Ärger geben, wird die Polizei eingreifen. Auch wenn Raucher die Gaststätte nicht verlassen, kann der Wirt die Ordnungshüter rufen.
2. Ab wann werden Bußgelder erhoben? Das neue Gesetz zum strikten Rauchverbot gilt ab dem 1. August. Ab dann werden auch Bußgelder verhängt.
3. Wer muss wie viel zahlen, wenn er erwischt wird? „Die Bußgelder werden sich in erster Linie gegen die Wirte richten. Denn die sind dafür verantwortlich, dass in ihren Gaststätten nicht geraucht wird“, so Robert Pollack. Allerdings wäre es laut Gesetz auch möglich, einzelne Raucher zur Kasse zu bitten. Aber die sind weg, bis die Polizei kommt, um die Personalien festzustellen. Der Wirt hat die Möglichkeit, auf sein Hausrecht zu pochen und notorischen Rauchern Hausverbot zu erteilen. Nach der alten, lockereren Regelung hat das Ordnungsamt in den elf Monaten, in denen sie bestand, 106 Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Wirte eingeleitet. Maximal kann ein Bußgeld von 1000 Euro verhängt werden. Bisher bewegten sich die Beträge bei „Ersttätern“, so Pollack, zwischen 100 und 250 Euro. Bei Disco-Betreibern wurden auch schon 500 Euro kassiert.
4. Werden die Klagen über Lärmbelästigung durch Freiluft-Raucher zunehmen? Damit rechnen sowohl das Ordnungsamt als auch die Polizei. „Die gingen zurück, als nach dem ersten, schärferen Verbot die lockerere Regelung eingeführt wurde“, so Pollack. Nun müssen wieder alle Qualmer vor die Tür. „Wir hoffen hier auf die Vernunft und die Einsicht der Raucher und Wirte, damit es für die Nachbarn nicht zu laut wird“, so Polizeisprecher Schnellinger.
5. Wo können sich Nichtraucher beschweren? Das Ordnungsamt nimmt die Beschweren entgegen. In den vergangenen elf Monaten haben sich 89 Gäste, die sich durch Rauch gestört fühlten, bei der Behörde gemeldet. Sie ist zu erreichen: Telefon: 0911/ 231-1984, Post: Innerer Laufer Platz 3, 90403 Nürnberg. Internet: www.ordnungsamt.nuernberg.de
6. Für die Wies’n in München gibt es noch eine Ausnahme. Wie ist es beim Nürnberger Herbstvolksfest? Da hat die Münchner Stadtverwaltung schneller geschaltet. Schon vor dem Abschluss des Volksbegehrens war klar, dass das Rauchverbot erst 2011 für das Oktoberfest gelten wird. Begründung: Es ist nicht möglich, die Festzelte in so kurzer Zeit tauglich fürs Rauchverbot zu machen.
Das gilt auch für das Herbstvolksfest, das am 27. August beginnt. Doch im Nürnberger Rathaus hat man noch nicht einmal einen Termin mit den Wirten zum Thema vereinbart. „Die Gäste dürfen das Zelt mit ihren Getränken nicht verlassen. Und stehen lassen können sie ihren Maßkrug auch nicht, wenn sie zum Rauchen vors Zelt müssen“, so Festwirt Hermann Murr. Er müsste eine umzäunte Raucherfläche unter freiem Himmel schaffen, die nur vom Zelt aus zugänglich ist. Ein „Raucher-Ghetto“, wie er sagt.
„Doch dafür ist nach dem derzeitigen Belegungsplan kein Platz vorhanden“, stellte gestern Robert Pollack vom Ordnungsamt fest. Nun ist ein Gipfeltreffen mit den Schaustellern angedacht, auf dem mögliche Ausnahmen besprochen werden.
7. Gibt es sonst noch Ausnahmen, wo Raucher jetzt noch rauchen dürfen? In der Gastronomie, in Sportstätten und Kultur- und Freizeit-Einrichtungen gilt das ausnahmslose Verbot! Rauchen darf man zu Hause und im Freien, zum Beispiel auch in Biergärten. Außerdem in bestimmten Vernehmungszimmern der Polizei, auf der Theater-Bühne und im Sterbe-Hospiz. Raucherräume können in Gefängnissen eingerichtet werden, in Suchthilfestationen von Kliniken, aber auch in Flughäfen – wenn sichergestellt ist, dass kein Qualm in andere Räume ziehen kann.
8. Was ist mit geschlossenen Gesellschaften? Dürfen sich Kneipen jetzt wieder zu Raucherclubs erklären? Es gibt keine Ausnahmen für geschlossene Gesellschaften mehr – und es wird damit auch keine Rückkehr zu den Raucherclubs geben. Das Schlupfloch in der vorletzten Fassung des Gesetzes, das damals viele Wirte nutzen, ihre Gaststätten kurzerhand zu Raucherclubs machten und damit das Qualmverbot unterliefen, gibt es nicht mehr.
9. Kann der Landtag das per Volksentscheid beschlossene Gesetz wieder abändern? Theoretisch könnte der Landtag das Gesetz umgehend ändern. Ein per Volksentscheid angenommenes Gesetz steht nicht über einem „normalen“ Gesetz, das vom Landtag beschlossen wurde. Und auch eine zeitliche Bindungswirkung des Volksentscheids gibt es nicht. Praktisch aber ist undenkbar, dass die Politik es wagt, in absehbarer Zeit wieder Hand an das Gesetz zu legen. „Der höchste Souverän hat entschieden. Eine höhere Entscheidungsinstanz als das Volk gibt es nicht“, so Gesundheitsminister Markus Söder (CSU). Inzwischen flammt zwischen CSU und FDP neuer Streit auf. Die Liberalen werfen ihrem Koalitionspartner ein „Wegducken beim Rauchverbot“ vor.
10. Ist das bayerische Rauchverbot Vorbild für Deutschland? Die Initiatoren des bayerischen Volksbegehrens haben die Bundesregierung aufgefordert, für ein bundesweites Rauchverbot zu sorgen. „Mit der deutschen Kleinstaaterei beim Gesundheitsschutz muss endlich Schluss sein“, so Ernst-Günther Krause von der Nichtraucher-Initiative. „Es kann doch nicht angehen, dass es in Deutschland 16 verschiedene Gesetze zum Nichtraucherschutz gibt!“Aktionsbündnis-Sprecher Sebastian Frankenberger geht nach dem 61 Prozent-Votum in Bayern davon aus, dass es auch deutschlandweit eine hohe Zustimmung für ein striktes Rauchverbot gibt.
11. Wird die Gastronomie die Preise erhöhen? Der Hotel- und Gaststättenverband rechnet mit Umsatzeinbußen von bis zu 30 Prozent. Etliche Kneipen werden, so der Verband, jetzt wohl pleite gehen. Um den zurückgehenden Umsatz auszugleichen, werden einige Wirte versucht sein, die Getränkepreise anzuheben. Ob sie damit auf dem umkämpften Gastro-Markt bestehen können, bleibt abzuwarten. Ganz konkret sind jedoch bereits die Rechnungen der Festwirte. Allein um die 30 zusätzlichen Sicherheits-Mitarbeiter pro Abend bezahlen zu können, die in den Festzelten das Rauchverbot überwachen müssen, wird der Bierpreis steigen. Hermann Murr vom Oxenzelt rechnet mit mindestes 30 Cent mehr pro Maß Bier am Volksfest!
12. Was passiert mit dem unterlegenen Aktionsbündnis? Es akzeptiert den Volksentscheid – wird aber nach eigenen Angaben weiterbestehen und für „Freiheit und Toleranz in Bayern“ kämpfen. Franz Bergmüller vom Aktionsbündnis „Bayern sagt Nein“ lässt zudem juristische Konsequenzen prüfen. Dabei soll es auch um die Frage gehen, wie Wirte entschädigt werden könnten. „Man kann nicht verlangen, dass jemand 100000 Euro für eine Lüftung ausgibt. Und ihm kurz darauf sagen, dass es umsonst war.“Michael Reiner