Cannabis-Legalisierung: Bayerns Ex-Justizminister befürchtet Entlassung von schweren Straftätern

Mit dem Cannabis-Gesetz ab 1. April geht auch einher, dass Altfälle noch einmal geprüft werden sollen. Allein für die Staatsanwaltschaft München I bedeutet das 650 Stunden Mehraufwand.
von  Ralf Müller, Britta Schultejans
Der frühere bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) sieht die kommende Cannabis-Legalisierung kritisch.
Der frühere bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) sieht die kommende Cannabis-Legalisierung kritisch. © Matthias Balk/dpa/Archivbild

München - Entgegen den Absichten der Gesetzgeber verursacht das Gesetz zur Legalisierung von Cannabis hohe Zusatzbelastungen für die Justiz. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, müssen Staatsanwaltschaften in Bayern Tausende eigentlich abgeschlossene Altfälle erneut überprüfen, weil das Gesetz auch eine rückwirkende Amnestie-Regelung vorsieht.

CSU-Politiker fordern Streichung der Amnestie-Regelung im Cannabis-Gesetz

Der Arbeitskreis der Juristen in der CSU appellierte jetzt an den Bundesrat, wenn schon nicht das ganze Gesetz, so doch wenigstens die derzeit vorgesehenen Amnestie-Regelung zu streichen.

Allein die Staatsanwaltschaft München I müsste nach dem Bericht bei Inkrafttreten der Amnestie-Regelung an die 4000 bereits erledigte Verfahren noch einmal sichten. Setze man für jede Überprüfung nur zehn Minuten an, komme man auf 39.000 – oder 650 Stunden und damit auf die Wochenarbeitszeit von 16 Arbeitskräften.

Wenn unzählige anhängige und abgeschlossene Verfahren überprüft werden müssten, führt dies nach Ansicht des Arbeitskreis-Vorsitzenden Winfried Bausback zu einer nicht zu bewältigenden Überlastung des Justizsystems und bringe Justizangehörige ungerechtfertigt in ein eigenes Strafbarkeitsrisiko. "Das Gesetz ist nicht nur aus drogen- und jugendpolitischer Perspektive falsch, es ist dogmatisch nicht durchdacht und schadet unserem Rechtsstaat", so der frühere bayerische Justizminister und Juraprofessor Bausback.

Bayerns Ex-Justizminister Winfried Bausback befürchtet Entlassung von schweren Straftätern

Bei Mehrfachdelikten könnte die Amnestie-Regelung zu sachlich nicht gerechtfertigten Entlassungen von Tätern, die weitere schwere Straftatbestände verwirklicht haben, aus der Haft und in der Folge zu deren Flucht führen.

Statt durch eine "unnötige Amnestie-Regelung" im Rahmen der Cannabis-Legalisierung die Strafjustiz zu "lähmen", sollten in diesen herausfordernden Zeiten alle Kräfte gebündelt werden, um die Bedrohungen von innen wie von außen auf den Rechtsstaat abzuwehren, heißt es in der Resolution der CSU-Juristen: "Diese unnötigen Belastungen schwächen die Wehrhaftigkeit von Demokratie und Rechtsstaat in unserem Land."

Der Gesetzentwurf der Ampel-Regierung sieht vor, dass rechtskräftige und noch nicht vollständig vollstreckte Strafen für Delikte, die vom 1. April an nicht mehr strafbar sind, erlassen werden. Bis das Cannabisgesetz am 1. April in Kraft tritt, muss die Staatsanwaltschaft also zahlreiche Altfälle überprüfen, die nach dem neuen Recht nicht zu Strafen hätten führen dürfen. Wie viele Verfahren es bayernweit sind, die noch mal geprüft werden müssen, hat das Justizministerium nach Angaben eines Sprechers nicht erfasst.

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