Cancel Culture beim Chinesenfasching? Dietfurt ändert Logo des Events

Dietfurt - Chinesenfasching mitten in Bayern - ist das noch zeitgemäß? Mit dieser Frage ist Dietfurt im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz konfrontiert. Die Veranstaltung hat fast 100 Jahre Tradition, im vergangenen Jahr kamen zum Umzug am Unsinnigen Donnerstag rund 25 000 Menschen in den Ort an der Altmühl. Doch nicht nur Faschingsbegeisterte sprachen über das selbsternannte Bayrisch China. Es hagelte immer mehr Kritik im Netz. Stichworte: Yellow Facing, Rassismus, kulturelle Aneignung.
Ähnliches kennt man bereits von einem anderen Faschings-Klassiker, dem "Indianer" - allein dieser Begriff ist eigentlich längst ausgemustert, da es sich um eine fremdbestimmte, unterwerfende und zudem irrtümliche Zuschreibung durch die Europäer handelt. Dennoch mögen so einige nicht auf die Kostümierung verzichten. Zu derartigen Faschingskostümen sagte der Sozialwissenschaftler Lars Distelhorst (Buch "Kulturelle Aneignung") im vergangenen Jahr dem BR: "Das kann man machen. Aber man muss nicht unbedingt erwarten, dass andere Leute dafür Applaus klatschen." Aus seiner Sicht könne man bei solchen Verkleidungen durchaus über kulturelle Aneignung sprechen, er findet grundsätzlich die Begriffe "Geschichtsvergessenheit" oder "mangelnde Sensibilität" besser.

Zurück zum Chinesenfasching: Die Stadt Dietfurt reagiert auf die Kritik und zeigt nun auf Schildern und Plakaten keine chinesische Karikatur auf gelbem Grund mehr, sondern einen Drachen. Zudem hat man etwa Lampions aus der chinesischen Partnerstadt Nanjing als Deko parat. Bei den teilnehmenden 45 Gruppen des Faschingsumzugs ist seines Wissens nach auch niemand dabei, der sich sein Gesicht gelb schminke, sagt der Sprecher der Tourist-Information, Thomas Himmler, am Dienstag der AZ. Hat man die Schilder aus Überzeugung überarbeitet oder wegen der Kritik? Der Sprecher sagt darüber: "Das ist ein Facelift, man geht mit der Zeit." Dazu kommt: Die Schilder an den Häusern seien ohnehin bereits rund 25 Jahre alt gewesen. Nun schauten die Umzugsschilder bis zu den Werbeplakaten einheitlich aus. Ohne chinesisches Konterfei.
Gespaltene Reaktionen der Anwohner
Wie reagieren die Dietfurter darauf? "Es gibt positive und negative Stimmen. Die einen finden, es schaut super aus." Die Kritiker dagegen fragten, warum man alles ändern müsse. Die Reaktion der Partnerstadt ist dem Sprecher zufolge eindeutig gewesen: "Die hat das an sich nicht gestört." Als die Kritik aufkam, habe deren Frage gelautet: "Habt ihr keine anderen Probleme, als sich über die Schilder aufzuregen?" Der Sprecher stellt auch klar, wenn sich Besucher im Fasching als Chinesen verkleiden wollen: "Wir werden niemandem verbieten, wie er zum Fasching geht. Das ist die freie Entscheidung jedes einzelnen. Wir werden niemanden bevormunden." Bei den Dingen, bei denen der Veranstalter die Stellschrauben verändern könne, würde man dies aber tun.

Die Stadt Dietfurt erklärt auf ihrer Seite, warum es überhaupt zu der Verbindung mit China kam. Demnach wollte der Fürstbischof von Eichstätt einst mehr Lehen von den Bewohnern. Diese schlossen die Tore und ließen dessen Kämmerer nicht herein. Als dieser zum Geistlichen zurückkehrte, meinte er: Die Dietfurter kämen ihm wie die Chinesen vor, die sich hinter einer Mauer verschanzten. Die Idee zum Chinesenfasching kam 1928 auf. Eine Blaskapelle trat damals zum ersten Mal im Chinesenkostüm auf. Erst in den 50ern verfestigte sich die Tradition. Der damalige Bürgermeister und sein Kämmerer waren mittendrin, so die Stadt: "Auf einem von Mulis gezogenen Fahrzug saßen sie in chinesische Tracht gekleidet - und waren so gut geschminkt, dass selbst die einheimischen Zuschauer sie nicht erkannten." Ein Ausnahme-Tag ist der Chinesenfasching in Dietfurt bis heute. Auf der Homepage der Stadt steht schon vorsorglich: Das Rathaus bleibt tags darauf geschlossen.