Brecherspitz: Todesdramen auf Familientour

Die Brecherspitz im Spitzinggebiet ist bei Wanderern beliebt. Doch auf dem Berg spielen sich immer wieder schlimme Unfälle ab. Der Westgrat ist die Schlüsselstelle. Was sich jetzt ändern soll.
Klaus Wiendl |
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Die Gefahrenstelle am Westgrat der Brecherspitz.
Bergwacht Schliersee 2 Die Gefahrenstelle am Westgrat der Brecherspitz.
Viele Male mussten verunglückte Wanderer per Rettungshubschrauber geborgen werden.
Leitner, BRK BGL 2 Viele Male mussten verunglückte Wanderer per Rettungshubschrauber geborgen werden.

Spitzinggebiet - Nun haben die Bergkatastrophen vor der Haustüre auch den Schlierseer Gemeinderat erreicht. Im Werkausschuss wurde mehr Sicherheit am Westgrat gefordert. Denn mit bereits fünf Bergtoten hat sich diese Passage kurz vor dem Gipfel zu einem Unfallschwerpunkt für Bergwanderer entwickelt.

Das letzte Unglück ereignete sich am Muttertag: Vor den Augen seiner Familie stürzte ein 61-jähriger Unterföhringer gegen 17.30 Uhr rund 100 Meter in die Tiefe. Er war an der Schlüsselstelle gestolpert und verlor den Halt. Die Tochter stieg sofort zu ihrem Vater ab und versuchte, ihn noch zu reanimieren. Doch jede Hilfe kam zu spät. Auch die Bergwacht konnte nichts mehr tun. Der Familienvater hatte sich bei dem Sturz multiple Verletzungen zugezogen.

Brecherspitz wird im Internet als "Familientour" bezeichnet

Weitere Todesfälle einer erschreckenden Bilanz: Im vergangenen Jahr stürzte Ende August ein 39-jähriger Bergwanderer aus Irschenberg etwa 200 Meter in die Tiefe. 2018 erschlug ein Blitz einen 22-Jähriger am Brecherspitz-Grad. Im Oktober 2016 verunglückte ein 24-Jähriger aus Hausham bei einem Überholvorgang dort an der Schlüsselstelle. 2013 stürzte eine 61-Jährige aus Hessen in den Tod. Auch sie war gestolpert.

Viele Male mussten verunglückte Wanderer per Rettungshubschrauber geborgen werden.
Viele Male mussten verunglückte Wanderer per Rettungshubschrauber geborgen werden. © Leitner, BRK BGL

Der westliche Steilhang hat an dieser Stelle etwa 45 bis 50 Grad Steigung und ist von Felsrücken durchsetzt. Es gibt dort letztlich nur eine ausgesetzte Stelle, die aber mit einem Stahlseil gesichert ist. Der Grat erfordere Trittsicherheit, sei aber normal begehbar. Als besonders gefährlich sei er eigentlich nicht einzuschätzen, urteilt die Bergwacht. Dennoch sitze ihr der Einsatz noch in den Knochen, sagte Karl Hiermeyer (PWG), "das sind dramatische Geschichten für alle Beteiligten". Hiermeyer ist selbst bei der Bergwacht.

Damit es nicht zu weiteren Todesstürzen an dieser Stelle kommt, fordert er zusätzliche Sicherungen. Etwa ein Netz, um einen etwaigen Sturz abzufangen und den Unfallschwerpunkt zu entschärfen. Ebenfalls überarbeiten müsse man die Routen-Beschreibung. "Im Internet wird sie als Familientour bezeichnet."

Verbesserte Seilführung soll Wanderung sicherer machen

Auch ein Verweis auf die nötige Ausrüstung fehle, monierte Astrid Leitner (CSU). Immer noch seien dort Wanderer "mit Turnschuhen unterwegs". Ungeübte würde auch eine Klassifizierung von leicht bis schwer nicht abschrecken, berichtete der Wegereferent des Alpenvereins, Robert Viehweger.

Ein Ausweg aus dem Dilemma soll nun eine verbesserte Seilführung sein. Ob die aber etwas bringt, wusste auch Viehweger nicht. Abschreckend sei nur, meinte Hiermeyer, "die Toten explizit zu erwähnen."

Am Montag musste die Bergwacht wieder zur Brecherspitz ausrücken. Eine Münchner Wandergruppe verstieg sich. Die Rettung gelang, niemand verletzte sich.

Der Alpenverein rät im Corona-Bergsommer zu Gelassenheit

Es wird eng am Berg, das war es schon die letzten Wochen zum Leidwesen vieler Anwohner, etwa im Oberland. Und es wird wohl noch voller werden auf Wanderwegen und Hütten, denn kommende Woche beginnen die Sommerferien.

Deswegen rät der Deutsche Alpenverein (DAV) zu Gelassenheit, wenn man sich ausweichen muss, wenn’s mit dem Essen mal länger dauert, und auch denen gegenüber, die vielleicht nicht so wandererfahren sind, weil sie ihren Urlaub nur coronabedingt daheim verbringen.

Der DAV hat einige Tipps für Wanderer, sodass es trotzdem ein schöner Bergsommer werden kann:

Tipps gegen Corona-Virus: So verhält man sich richtig

  • Touren gut planen – und dabei beliebte Ziele möglichst meiden.
  • Rücksicht nehmen – das gelte vor allem auch schon beim Parken.
  • Zurückhaltung üben – besser Touren unter dem eigenen Leistungsniveau unternehmen, um nicht auf Hilfe der Bergwacht angewiesen zu sein.
  • Abstand halten – das gilt nicht nur im Tal, auch auf den Hütten und Wanderwegen.

Wandern mit Hütten-Besuch: Darauf muss man achten

  • Reservieren: Spontane Übernachtungen sind derzeit nicht möglich.
  • Richtig packen: Manche Hütten fordern diesen Sommer, dass Gäste eigene Bettwäsche oder Schlafsäcke mitbringen. Das sollten Wanderer vorher erfragen.
  • Regeln befolgen: Jede Hütte ist anders – so auch die Regeln vor Ort, was etwa die Wegführung oder die Benutzung der Waschräume angeht.

Tipps für den Bergsport im Sommer

  • Wetter: Den Bericht vorab ansehen, etwa unter "Bergwetter" auf der DAV-Homepage. Dann kann man die Tour entsprechend planen, sollte aber natürlich das Wetter vor Ort weiterhin beobachten, etwa im Hinblick auf nahende Gewitter.
  • Kleidung und Schutz: Ein Wechselshirt sollte stets dabei sein, ebenso braucht’s im Sommer Kopfbedeckung und Sonnenbrille. Eincremen und viel trinken nicht vergessen!
  • Kuhweiden: Auf ihnen darf nie der Weg verlassen werden. Kälber streichen ist tabu – das könnten Muttertiere als Angriff verstehen.

Lesen Sie hier: Demos gegen massiven Ausflugsverkehr im Oberland geplant

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