"Braucht kein Mensch": Tierschutz-Zoff um neue Betretungsverbote an Touristen-Hotspot in Bayern

Eine Behörde in Rosenheim hat offenbar neue Betretungsverbote am Chiemsee geplant. Dafür gibt es Gegenwind aus der Kommunalpolitik.
von  Alexander Spöri
Hunderttausende Besucher fahren mit dem Schiff am Chiemsee jährlich auf die Frauen- und die vorgelagerte Herreninsel.
Hunderttausende Besucher fahren mit dem Schiff am Chiemsee jährlich auf die Frauen- und die vorgelagerte Herreninsel. © Martin Siepmann/imago

München/Chiemsee - Auf den drei Inseln im Bayerischen Meer könnten bald Betretungsverbote aus Naturschutzgründen durch eine Allgemeinverfügung erlassen werden. Zumindest, wenn es nach einem Entwurf des Landratsamts Rosenheim geht. Demzufolge sollen einige Uferbereiche auf der Frauen-, der Kraut- und der Herreninsel künftig für Besucher tabu sein, wie das "Oberbayerische Volksblatt" berichtete.

Bis zu den Restaurants, Biergärten und dem Neuen Schloss Herrenchiemsee kämen Ausflügler dann oft gar nicht mehr, hieß es von Gemeindevertretern. Und es wird paradox: Gleichzeitig will die im Landratsamt angesiedelte Untere Naturschutzbehörde eine Anleinpflicht für Hunde einführen. Ausgerechnet dort, wo sich dann ohnehin fast keine Menschen mehr aufhalten dürften, geht aus dem Bericht hervor.

Bürgermeister der Chiemsee-Inseln: Neue Regeln "auf keinen Fall" umsetzbar

Das ist für den Ersten Bürgermeister der drei Inseln, Armin Krämmer (Freie Wählergemeinschaft Chiemsee), widersprüchlich: "Von meiner Seite gibt es da einfach ein Nein", sagt der Ortsvorsteher zur AZ. Krämmer stehe zwar für den Schutz der Umwelt ein, doch in seiner Kommune könnte man die Allgemeinverfügung, wie sie derzeit geplant ist, "auf keinen Fall" umsetzen.

Um die darin geplanten Betretungsverbote und Anleinpflichten zu veranschaulichen, hatten die Verantwortlichen die entsprechenden Zonen auf einer Landkarte rot markiert. Dabei wurde deutlich: Durch die Betretungsverbote am Ufer wären Großteile der Inseln nicht mehr zugänglich. Nur Anwohner und Rettungskräfte wären ausgenommen. "Es schaut vielleicht auf dem Computer ganz toll aus, aber in der Realität weiß ich nicht, ob da jemand mal vor Ort war", sagt der Vertreter der drei oberbayerischen Inseln.

Auf AZ-Anfrage antwortet das Landratsamt Rosenheim, dass das Konzept den Bürgermeistern der Gemeinden am Chiemsee im Oktober vergangenen Jahres vorgestellt worden sei. Versehen war es laut der Behörde mit dem Hinweis, dass es sich um einen Entwurf handelt und darüber auch diskutiert werden könne. Zudem sei darauf hingewiesen worden, dass die Allgemeinverfügung nur in Kraft gesetzt werde, "wenn alle Gemeinden positiv votierten." Die Nutzung der bestehenden Freizeitwege wäre "im Wesentlichen" erhalten geblieben.

Bürgermeister: Kaum Probleme mit dem Naturschutz auf Chiemsee-Inseln

Warum die Untere Naturschutzbehörde zu solchen Regulierungen greifen will? Zur besseren Lenkung der Besucher im Gebiet und somit dem Ziel, die Lebensräume von Vögeln zu schützen. "Aus unserer Sicht muss das besänftigt werden", meint Krämmer. Sonst müsste man möglicherweise sogar einen Zaun aufspannen, um die Allgemeinverfügung konsequent durchzusetzen. "Das braucht und will wirklich kein Mensch."

In die Verbotszonen fallen laut Bürgermeister Krämmer Schilfgebiete am Rande der Inseln, in denen im Frühling und Sommer Vögel brüten. "Wir haben das Glück, in der Natur wohnen zu dürfen", sagt Krämmer. Mit dem Umweltschutz habe es in der Vergangenheit aber keine Probleme gegeben. Herreninsel und Fraueninsel gelten bis auf wenige Ausnahmen als auto- und fahrradfrei. Auf der Krautinsel gebe es zwar "viel Tourismus", aber laut Krämmer nur wenig Müll. "Das sind gute Leute da drüben, die einfach ihre Ruhe haben und im Sommer baden gehen wollen." Keiner mache im Schilf ein Picknick, "weil die Touristen auch Anstand haben". Zur Hundeanleinpflicht stehe man ohnehin – laut einer Satzung müssen Vierbeiner mit einer Größe von mehr als 50 Zentimetern angeleint werden.

Landratsamt bezieht Stellung – Nur Betretungsverbot für Krautinsel wäre in Frage gekommen

Kompliziert sei die Umsetzung des Allgemeinverfügung-Entwurfes auf der Herreninsel. "Das Schloss soll bald Weltkulturerbe werden", sagt Krämmer. Die Bayerische Staatsregierung hatte Ende vergangenen Jahres einen entsprechenden Antrag bei der Unesco eingereicht. Die Entscheidung soll im Sommer 2025 fallen. "Dadurch wird es schwierig."

Hierauf entgegnet das Landratsamt, dass auf der Fraueninsel alles wie bisher geblieben wäre, da sie nicht Bestandteil des Vogelschutzgebietes ist. Auf der Herreninsel gebe es bereits ein Wegegebot. Das heißt, Besucher müssten hier jetzt schon auf den ausgewiesenen Wegen bleiben. "Einzig für die Krautinsel hätte ein Betretungsverbot zustande kommen können."

Zahlreiche Gemeinden sehen Allgemeinverfügung wohl überwiegend kritisch

Die neuen Regelungen würden auch die Gemeinden Bernau, Prien, Rimsting und Breitbrunn treffen. "Überall ist man dagegen", teilt Krämmer mit. Auch ein Regel-Wirrwarr könnte drohen. Wenn jemand einen Ausflug nach Chieming machen würde, dann müsste derjenige möglicherweise seinen Hund dort nicht anleinen, weil die Gemeinde im Landkreis Traunstein liegt, aber "bei uns am Westufer" im Landkreis Rosenheim dann schon.

Jetzt wartet der Bürgermeister auf nächste Schritte des Landratsamtes. Bisher habe ihn die Behörde um eine Stellungnahme zum Entwurf gebeten. In seinem Gemeinderat wurde dieser Vorschlag einstimmig abgelehnt.

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