BN-Bayern-Chef Mergner: "Kein großer Unterschied zwischen Laschet und Söder"

AZ-Interview mit Richard Mergner: Der 60-Jährige aus Ruppertshütten im Landkreis Main-Spessart ist Diplom-Geograf und seit 2018 Vorsitzender des Bundes Naturschutz (BN). Der BN hat 236.000 Mitglieder - mehr als alle im Landtag vertretenen Parteien zusammen.
AZ: Herr Mergner, wir haben heute den 6. August, draußen sind es 18 Grad. Es regnet. Ist das die Klimaerwärmung?
RICHARD MERGNER: Wir erleben tatsächlich im Moment einen sehr nassen und kühlen Sommer. Aber die über das ganze Land verteilten Starkregenereignisse sind noch in guter Erinnerung. Nirgends kann man sich mehr sicher sein, ob ein kleiner Bach zu einem reißenden Strom anschwillt oder der Hagel den Garten vernichtet. Die Wissenschaft hat vorausgesagt, dass wir mit massiven Wetterextremen auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit Dürre und Trockenheit wie vergangenes Jahr in Unterfranken rechnen müssen.
"Deutschland hat als Hochindustrie- und Exportland eine riesige Verantwortung"
Wenn Deutschland morgen klimaneutral wäre, würde das in globaler Hinsicht fast nichts ändern, weil die Bundesrepublik nur für zwei Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich ist. Warum sich also anstrengen?
Deutschland hat als Hochindustrie- und Exportland eine riesige Verantwortung. Über Jahrzehnte haben wir massiv die Atmosphäre als billige Müllkippe für Treibhausgase benutzt. Wir haben nur dann eine Chance, das Weltklima, aber auch Arbeitsplätze zu sichern, wenn wir als hochentwickelte Industrienation zeigen, dass Klimaschutz möglich ist. Das wird ebenso vorbildhaft sein wie der Atomausstieg.

Im Vorfeld der Bundestagswahl sind die Sorgen der Bevölkerung in Deutschland vor der Corona-Pandemie immer noch höher als wegen der Erderwärmung. Können Sie damit zufrieden sein?
Die letzte ZDF-Umfrage hat gezeigt, dass Klimaschutz und Umwelt mit der Corona-Problematik gleichauf an erster Stelle stehen. Wir sind daher guter Hoffnung, dass die Bundestagswahl auch zur Klimaschutzwahl wird. Wir brauchen auch zur Vorbeugung gegen weitere Pandemien einen weltweiten Schutz der biologischen Vielfalt und ein Ende der industriellen Tierhaltung.
Sie beklagen, dass es im Bundestagswahlkampf bisher mehr um abgeschriebene Texte und Lebensläufe als um Sachthemen wie Klimaschutz geht. Wie soll sich das noch ändern?
Ich hoffe, dass ab jetzt der Bundestagswahlkampf um entscheidende Zukunftsfragen geführt wird: Soziale Gerechtigkeit und ökologische Veränderung müssen Hand in Hand gehen. Wir müssen unseren Industriestandort sichern, indem wir zeigen, dass eine dezentrale Bürgerenergiewende die Treibhausgasemissionen massiv reduzieren kann. Wer hier die besten Konzepte hat, sollte auch im nächsten Bundestag eine Mehrheit haben.
Der nach Umfragen bislang aussichtsreichste Kanzlerkandidat ist der CDU-Vorsitzende Armin Laschet. Bedauern Sie aus Umwelt- und Klimaschutzgründen, dass es nicht CSU-Chef Markus Söder geworden ist?
Wir können nur die bisherige Politik betrachten, die maßgeblich auch von der CSU und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geprägt wurde. Sie hat nicht nur im Verkehrsbereich mit Verkehrsminister Andreas Scheuer, sondern auch beim Ausbau erneuerbarer Energien versagt. Wir unterscheiden zwischen Worten und Taten - und da konnte ich bisher keinen großen Unterschied zwischen Armin Laschet und Markus Söder feststellen.
"Leider müssen wir Laschet ein absolut miserables Zeugnis ausstellen"
Kann Laschet trotzdem ein guter Klimakanzler werden? Hat er Umwelt-Kompetenz?
Wir haben auch mit unserem Schwesterverband BUND in Nordrhein-Westfalen sehr genau beobachtet, wie Ministerpräsident Laschet sich im Umwelt- und Klimaschutz engagiert. Leider müssen wir ein absolut miserables Zeugnis ausstellen. Laschet hat sich massiv für die weitere Kohleförderung eingesetzt, er hat sich auch bei der Windkraft zusammen mit der FDP restriktiv gezeigt und er hat auch im Bereich der Verkehrspolitik keine Ansätze erkennen lassen, eine Mobilitätswende einzuleiten.
Was halten Sie von der Idee eines Bundesklimaschutzministeriums mit Veto-Recht gegen alle klimaschädlichen Regierungsbeschlüsse?
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen und der frühere Bundesumweltminister Töpfer haben ein solches Vetorecht schon vor Jahren gefordert. Wenn wir es gehabt hätten, wären wir jetzt nicht in der schlimmen Situation, wo uns die Folgen der Klimakrise mit Milliarden belasten. Daher ist es eine absolut unterstützenswerte Forderung.