Arbeiten nach Corona: Bleiben Bayerns Büros für immer leer?

München - Bis zu 90 Prozent der Mitarbeiter von Wirtschaftsunternehmen haben in den Tagen des von der Corona-Pandemie verursachten allgemeinen Lockdowns von Zuhause aus gearbeitet. Eine AZ-Umfrage unter den größten bayerischen Unternehmen ergab: Auch nach Corona wird viel mehr Homeoffice stattfinden als bisher. Das könnte auch Auswirkungen auf den Gewerbeimmobilienmarkt haben.
An der Spitze der Homoffice-Bewegung steht die Allianz SE. Global arbeiten derzeit immer noch 75 Prozent aller Mitarbeiter von zu Hause, in Deutschland seien es 70 Prozent, teilte die größte europäische Versicherung auf Anfrage mit.
Abhängig von persönlichen Präferenzen, Rotation und Zweckmäßigkeit gehe man davon aus, dass in diesem Jahr mindestens 40 Prozent der Belegschaft ihren Aufgaben vom heimischen Schreibtisch aus nachgehen.
Homeoffice wird sich bei der Allianz "weiter etablieren"
Auch Vorstandschef Oliver Bäte leitet die Geschicke des Konzerns immer wieder vom heimischen Büro aus. Das Homeoffice werde sich "weiter etablieren", hieß es bei der Allianz.
Versicherungen mit ihrem großen Anteil an Verwaltungstätigkeiten tun sich leichter, Arbeitsleistung auszulagern. Das gilt auch für den weltgrößten Rückversicherer Munich Re. Maximal die Hälfte der Mitarbeiter der Münchener Konzernzentrale seien derzeit im Büro, so das Unternehmen. Ganz auf die Präsenz der Mitarbeiter verzichten will man aber bei der Munich Re aber nicht. Die Quote werde schrittweise erhöht, um eine "geregelte Rückkehr ins Büro sicherzustellen".
Aber auch in den Industrieunternehmen gibt es viele Schreibtischjobs, die während des Höhepunkts der Pandemie zu einem erheblichen Teil von zu Hause aus erledigt wurden.
Seit 2016 schon haben die Mitarbeiter der Audi AG sogar einen "Anspruch" auf mobiles Arbeiten, wenn es mit ihrer Aufgabe vereinbar ist.
Bei Audi gibt es einen Anspruch auf "Nicht-Erreichbarkeit"
Geregelt wurde in Ingolstadt aber auch ein "Anspruch auf Nicht-Erreichbarkeit" außerhalb der mit dem jeweiligen Vorgesetzten vereinbarten Zeiten. Zwischen 22 Uhr und sechs Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen darf nicht mobil gearbeitet werden.
Bei der BMW AG in München gibt es schon seit 25 Jahren Vereinbarungen zu Homeoffice und Telearbeit, die weiter entwickelt wurden. BMW-Mitarbeiter können nicht nur tage- sondern sogar stundenweise mobil arbeiten. Auf "pauschale Vorgaben" verzichtet die Unternehmensleitung zugunsten eines "intelligenten Mix aus Präsenz- und Mobilarbeit", teilte der Autohersteller auf Anfrage mit.
Ab und zu möchte man auch bei BMW seine Mitarbeiter gerne persönlich im Büro sehen: "Einen vollständigen Wechsel ins Homeoffice sehen wir als nicht zielführend. Auch lehnen wir einen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice oder Mobilarbeit ab."

Beim Autozulieferer Webasto, bei dem der erste aus China importierte Corona-Infektionsfall Deutschlands aufgetreten war, steht man einer Ausweitung des mobilen Arbeitens besonders aufgeschlossen gegenüber. Man werde diese Art der Arbeitsleistung auch nach der Pandemie beibehalten und an Verbesserungen arbeiten.
Mit Ausbruch der Corona-Pandemie hat man bei Webasto die bis dahin geltende Obergrenze von maximal zwei Arbeitstagen pro Woche im Homeoffice aufgegeben und den Mitarbeitern freigestellt, komplett zu Hause zu bleiben.
Meetings funktionieren auch virtuell
Man habe die Erfahrung gemacht, dass viele Meetings, bei denen man bislang die physische Anwesenheit für erforderlich gehalten habe, auch virtuell "in der Regel gut" funktionierten.
In der Zentrale des Sportartikelherstellers Adidas in Herzogenaurach arbeiten derzeit weniger als die Hälfte der Belegschaft im Büro, der Rest ist im Homeoffice. In normalen Zeiten kann ein Fünftel der Zeit außerhalb gearbeitet werden, so das Unternehmen: "Die Frage nach einer Ausweitung (...) stellt sich momentan nicht."
Viele Tätigkeiten ließen sich beim Agrar- und Baustoffhandelskonzern BayWa AG nicht von Daheim erledigen, sagte eine Sprecherin. Ansonsten könnten Mitarbeiter auf der Basis einer Betriebsvereinbarung von 2016 in Absprache mit dem jeweiligen Chef zu Hause arbeiten.
Demonstrativ vorangegangen in Sachen Homeoffice war in der vergangenen Woche der Siemens-Konzern, dessen Vorstand öffentlich "zwei bis drei Tage pro Woche mobiles Arbeiten" als "weltweiten Standard" ausrief.
Immer dann, wenn es sinnvoll und machbar sei, sollten die Mitarbeiter mobil arbeiten können. Die Corona-Krise habe gezeigt, dass ortsunabhängiges Arbeiten viele Vorteile biete und in weitaus größerem Rahmen möglich sei als ursprünglich angenommen, so die Siemens-Konzernführung.
Allerdings habe sich auch erwiesen, wie wichtig Büroräume für die Zusammenarbeit seien, legte Siemens am Mittwoch nach.
Die Allianz SE denkt schon über weniger Büroräume nach
Die Homeoffice-Welle macht also vor kaum einem größeren Unternehmen Halt. 54 Prozent der vom Münchner Ifo Institut befragten Firmen gaben an, weiter auf Homeoffice setzen zu wollen.
In der Gewerbeimmobilienbranche verursacht das alles eine gewisse Besorgnis. Bei der Allianz SE gebe bereits Überlegungen, dass eine Verkleinerung der Büroflächen "eine der Auswirkungen eines neuen, hybriden Arbeitsmodells sein wird", hieß es bei dem Versicherungskonzern. Webasto hofft, das angestrebte Mitarbeiterwachstum "mit weniger Neubauten oder Anmietungen stemmen zu können".