Blaue Nacht: Götter und Bierkisten

Spektakuläre Aktionen und lange Wartezeiten beim Rundgang durch die „Blaue Nacht“: Die AZ hat einen Rundgang gemacht.
NÜRNBERG Seltsame Szenen spielen sich in der Stadt ab: Eine Postkutsche schlängelt sich durch den Feierabendverkehr. „Macht das nicht nach“, bittet eine besorgte Mutter ihre Kinder, als die Familie einen Engel passiert, der auf einem Vorsprung in fünf Meter Höhe balanciert. Und überall leuchtet es blau. Kein Wunder: Es ist ja auch die Blaue Nacht!
Rund 130000 Nürnberger zog es am Samstag zu dem Kunst- und Kulturhöhepunkt des Jahres, der zehnten Blauen Nacht, welche dieses Mal unter dem Motto „Firmament“ stattfand. Firmament – das konnten viele Besucher vorerst unfreiwillig betrachten, wenn sie sich die Beine in den Bauch standen. Vor dem Rathaus, vor der Nürnberger Akademie und weiteren Stationen hieß es: Warten.
Die Götter sitzen im dritten Stock
„Eine Stunde stehe ich schon hier, und ich lasse niemanden rein“, fauchte eine Besucherin an der Akademie und verteidigte ihre Position vehement gegen Drängler. Das Anstehen hatte sich aber gelohnt: Im Innenhof konnten die Blaue Nacht-Besucher, eingehüllt in eine Wolkendecke aus Ballons, per Telefon mit den „Göttern“ sprechen. Die saßen im dritten Stock des Gebäudes und plauderten mit den „Erdbewohnern“ über das Wetter, den Club, den Bundespräsidenten. „Ein junges Mädchen wollte wissen, wo sie ihren Schmuck verloren hat“, sagt „Gott“ Andy Mueller.
Ganz andere Götter waren am Hauptbahnhof zu Besuch – die „Planetenfamilie“, eine Truppe aus Stelzenläufern, die den Besuchern ihre Kunststücke vorführten. Doch auch ein Gott braucht Pause – und so marschierte einer von ihnen kurzerhand aus einem Seitenausgang und bat Jugendliche um Feuer für seine Zigarette.
Zwischen den Besucherströmen wuselten blaue Gestalten umher und verkauften blinkende Anstecker. Unklar ist, ob die Azubis der Nürnberger Versicherung, die in den Kostümen steckten, freiwillig mitmachten oder das Kleingedruckte in ihrem Anstellungsvertrag übersehen haben.
5000 Bierkästen - allerdings leer
Die Insel Schütt lockte mit 5000 Bierkästen – allerdings leeren, sonst hätte die Masse der männlichen Besucher das kleine Eiland wahrscheinlich zum Versinken gebracht. Künstler hatten aus den Kästen ein beeindruckendes Labyrinth geschaffen. Beeindruckend war auch das Lichtspiel „Tag und Nacht“ am Sebalder Platz und die Bildershow auf den Burgmauern.
Viele Nürnberger feierten die rauschende Nacht bis in den frühen Morgen und waren erstaunt, ihre Stadt mal von einer anderen Seite kennen zu lernen, wie ein Besucher beim Rundgang anmerkte: „Das sieht ja gar nicht mehr aus wie Nürnberg!“
Kasanobu Serdarov
Wie es an den anderen Veranstaltungsorten zuging, lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer Abendzeitung am Montag, 25. Mai.