"Blankes Entsetzen": Bayerns Wirtschaft sucht verzweifelt Berufseinsteiger

München - Wahrscheinlich ist sie die erste und einzige Azubi-Headhunterin Deutschlands. Das sagt Uschi Knieling aus Worms in Rheinland-Pfalz über sich selbst. Und dabei werde dieser Beruf dringend gebraucht, meint sie. Denn immer mehr Unternehmen fänden keine passenden Azubis. Und gleichzeitig seien viele Jugendliche mit der Suche nach einem Beruf überfordert.
Einige wüssten noch nicht einmal, dass sie nicht im Jogginganzug zum Bewerbungsgespräch gehen sollten. Für andere sei die Berufswelt zu groß und unübersichtlich. "Viele wissen gar nicht, dass sie Fähigkeiten haben", sagt Knieling. "Andere bewerben sich nicht, weil sie Schiss haben." Da will sie weiterhelfen.

Knieling geht regelmäßig in Schulen und führt dort Einzelgespräche mit den Jugendlichen. Viele junge Menschen bräuchten jemanden, der ihnen Orientierung gebe, sagt sie. Die Eltern müssten da oft viel mehr nachhelfen, als sie es aktuell tun. Früher hätten die Eltern einen eben oft einfach zu einer Ausbildung geschickt, in ihrem Fall die zur Zahntechnik.
Empfehlungen für den Berufseinstieg in Bayern: Einfach mal machen
"Da hieß es dann einfach: 'Mach mal'". Genau das will sie ihren Jugendlichen vermitteln: einfach mal zu machen, sich bei Praktika auszuprobieren. Nach den zweistündigen Gesprächen ergäben sich häufig Ideen für die Jugendlichen. Mit diesen mache sie sich dann auf die Suche nach der passenden Firma.
Auch Unternehmen kämen auf sie zu, wenn sie keine passenden Bewerber fänden. Viele, etwa Heizungssanitärfirmen, würden oft gar keine Bewerbungen bekommen. Sie sei gerade dabei, ihren Markt an Kandidaten auszubauen. Aktuell finanziert sie sich hauptsächlich über andere Jobs, doch hofft sie, dass die Schulen den Bedarf vielleicht bald erkennen und dann auch die Finanzierung übernehmen.
Fachkräftemangel in Bayern: Die Lage könnte sich noch verschärfen
Vielleicht könnte es in Bayern bald ebenfalls Azubi-Headhunter geben. Denn auch wenn Bayerns Betriebe wieder mehr Auszubildende haben, gebe es weiterhin viele unbesetzte Stellen, teilen die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustriebayme und vbm am Mittwoch in München mit. Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt geht davon aus, dass sich die Lage für die Betriebe künftig noch verschärfen werde.
Die Betriebe müssten sich heute ganz anders um die Auszubildenden kümmern als früher, meint er. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Jugendlichen ihre Stärken erkennen." Schon vor Ausbildungsbeginn müsse eine Beziehung aufgebaut werden.
Insgesamt ist die Lage für die Azubis selbst in Bayern sehr gut: Die Zahl der über alle Branchen hinweg abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Freistaat stieg 2023 um 4,7 Prozent auf 86.082. In der Metall- und Elektroindustrie sogar um 10,9 Prozent auf 15.331. Das sei der stärkste Anstieg seit mehr als zehn Jahren gewesen und das zweite Plus in Folge.
Für 2024 geht Brossardt davon aus, dass sich das hohe Ausbildungsniveau von 2023 halten wird. Er rechnet mindestens mit einer schwarzen Null, wahrscheinlich sogar mit einem Zuwachs von einem Prozent. Wer eine Ausbildung in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie absolviert hat, kann dabei in der Regel mit einer zumindest befristeten Übernahme rechnen. Dies galt 2023 in 92 Prozent der Fälle.
Headhunter verrät: Kein Unternehmen in Bayern sei zufrieden mit der Situation
Der Bewerbermangel hinterlasse dennoch weiterhin Spuren: "Unserer Befragung nach wäre die Zahl an abgeschlossenen Ausbildungsverträgen 2023 in der Metall- und Elektroindustrie noch höher ausgefallen, wenn es mehr beziehungsweise mehr geeignete Bewerber gegeben hätte", sagt Brossardt. Wo die Zahl der Neuverträge sank, seien dies die dominierenden Ursachen gewesen.
Einer, der sich vorstellen kann, künftig auch Azubis zu vermitteln ist Marcel Wegner von "Bavaria Headhunting" mit Sitz in Weihmichl im Kreis Landshut. Er kenne kein Unternehmen, das zufrieden sei mit der Situation. Es herrsche "blankes Entsetzen". Oft würden Ausbildungsverträge unterschrieben, zum Starttermin erscheine dann aber keiner. Das betreffe Elektrotechniker, Zimmerer aber auch Bürokaufleute. Früher habe er hauptsächlich Chefärzte vermittelt, mittlerweile mache er aufgrund des Fachkräftemangels auch Headhunting auf Metzgereifachgehilfen. Vielleicht also mache er sich irgendwann auch auf die Jagd nach Azubis.