Bizarr! Polizeidirektor klagt gegen Strafzettel

Raimund Swoboda (60) führt einen Prozess wegen 35 Euro. Das Amtsgericht erteilte ihm eine Abfuhr
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Gostenhofer Hauptstraße: In der 10er-Zone tappte der Polizei-Boss in eine Radarfalle der Stadt.
Berny Meyer Gostenhofer Hauptstraße: In der 10er-Zone tappte der Polizei-Boss in eine Radarfalle der Stadt.

Raimund Swoboda (60) führt einen Prozess wegen 35 Euro. Das Amtsgericht erteilte ihm eine Abfuhr

NÜRNBERG Auf der Karriereleiter ist Raimund Swoboda (60) ganz weit nach oben geklettert. Er ist Leitender Polizeidirektor, Chef von 600 Beamten, für das gesamte westliche Mittelfranken zuständig. Auch Verkehrsdelikte wie zu schnelles Fahren fallen in seinen Zuständigkeitsbereich. Jetzt ist der hochbezahlte Top-Beamte des Nürnberger Polizeipräsidiums selbst geblitzt worden – und führt wegen 35 Euro einen bizarren Prozess. So, als hätten die Gerichte wirklich nichts Besseres zu tun...

Die kommunale Verkehrsüberwachung der Stadt Nürnberg hat im Sommer die Gostenhofer Hauptstraße mit ihren Radarpistolen ins Visier genommen. Einer von Hunderten von Autofahrern, die viel zu schnell durch den auf zehn (!) Stundenkilometer begrenzten Straßenabschnitt bretterten, war Raimund Swoboda. 19 Stundenkilometer über dem Limit handelten ihm das 35-Euro-Knöllchen ein. Doch der Polizei-Boss dachte nicht ans Zahlen – und legte Widerspruch ein. Die Folge war der Prozess am Donnerstag vor dem Amtsgericht.

Dort dozierte er wortgewandt und in breitester Ausführlichkeit, warum die Tempo-Kontrolle ein rechtswidriger Akt war, warum er das ebenfalls rechtswidrige Verkehrsschild mit der Begrenzung nicht sehen konnte, warum er deshalb nicht zahlen will. Unter anderem behauptete er, dass die Straßenverkehrsordnung eine Tempo-10-Zone gar nicht vorsehe. Das sah Richterin Silke Weidner etwas anders.

„Ich habe dienstlich telefoniert" - am Steuer!

Sie ließ sich auch von Swobodas Argument nicht überzeugen, dass er das Tempolimit deshalb nicht wahrgenommen habe, weil er im Urlaub war – und davor, bei seiner letzten Fahrt, noch 30 km/h erlaubt gewesen seien. Etliche Prozessbeobachter schüttelten an dieser Stelle den Kopf.

Richtiges Gemurmel auf der Zuhörerbank kam aber auf, als die Richterin wissen wollte, was der Polizeidirektor gerade gemacht hatte, als er von der automatischen Kamera fotografiert wurde.

Diese Frage wollte Raimund Swoboda nach kurzer Rücksprache mit seinem Anwalt nicht beantworten. Ein Geheimnis wurde trotzdem nicht daraus: Richterin Weidner warf einen kurzen Blick auf das Beweisfoto in den Akten und stellte dann trocken fest: „Das sieht ganz danach aus, als hätten sie mit dem Handy telefoniert.“

Aber selbst dafür hatte der Polizei-Boss eine Erklärung parat: „Ich habe dienstlich telefoniert. Das sind hoheitliche Aufgaben. In solchen Fällen gilt für Polizeibeamte die Straßenverkehrsordnung nicht.“

Da blieb selbst der Richterin fast die Luft weg. Am Ende nutzte alles Gerede nichts: Swoboda muss den Strafzettel bezahlen, entschied das Gericht. Ob er das macht oder auch noch die nächste Instanz (Oberlandesgericht Bamberg) bemüht, ließ er gestern offen.

Helmut Reister

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