„Bierbrauen – das ist nichts für Männer“
„Erst hier bekommt das Bier den richtigen Geschmack.“ In Kloster Mallersdorf ist die Franziskanerin Doris Engelhard seit 33 Jahren Chefin im Sudhaus.
Greislich war’s. Richtig eklig, sagt Schwester Doris und verzieht das Gesicht. Nur mit zugehaltener Nase habe sie damals den ersten Schluck Bier ertragen können. 25 Jahre war sie da bereits alt. Kaum zu glauben. Aber aus diesem Bier-Muffel ist eine der bekanntesten und besten Bierbrauerinnen geworden.
Brautag
Das niederbayerische Mallersdorf, Mittwoch, 3.45 Uhr in der Früh: Die weißen Türme des Franziskanerinnerklosters liegen noch in der Dunkelheit. Kühl ist es, als die 59-Jährige die Tür zum Sudhaus aufschließt. Es ist Brautag. Da steht die Ordensschwester manchmal 14 Stunden vor den Sudkesseln. In blauer Ordenstracht und weißem Kopftuch tritt sie vor die klösterlichen Sudtöpfe, pumpt Gerste in die Kessel, mischt den Hopfen unter: „Mittlerweile geht das alles halbautomatisch“, erklärt sie, „aber die richtige Nase, die braucht man halt immer noch.“
Als Doris Engelhard vor 33 Jahren in Ulm ihre Meisterprüfung mit Auszeichnung ablegte, war das nicht anders. Eigentlich wollte sie ja lieber im Stall arbeiten. Doch die Oberin hatte anderes mit ihr vor – und schickte sie ins Sudhaus. Die junge Franziskanerin, eigentlich eine Limo-Trinkerin, fügte sich mehr schlecht als recht: „Die Dampfschwaden beim Biersieden waren anfangs schrecklich für mich.“
200 Busse jährlich
Wenn sie heute über diese Zeit nachdenkt, muss sie schmunzeln. Schließlich ist die Klosterbraumeisterin eine der letzten ihrer Zunft – und längst weit über Mallersdorf für ihr Können bekannt. Rund 200 Busse kommen jährlich, um ein paar Flaschen des leicht herben, aber äußerst süffigen „Zoigl Vollbier mit Hefe“ zu ergattern. Schon 1984 meldete ein Frankfurter Branchendienst: „Schwester Doris braut das beste Bier derWelt.“ Es ist mittlerweile Mittagszeit.
Der erste Sud des Tages schwimmt in den Gärtanks. Zeit, um mit einem alten Vorurteil aufzuräumen: „Bierbrauen, das ist nichts für Männer – das ist Frauensache“, sagt sie. Und weil die geborene Fränkin hierbei keinen Widerspruch duldet, legt sie gleich nach: Von den alten Babyloniern bis in die frühe Neuzeit war das Brauen in Frauenhand. Auch Luthers Frau Katharina hätte den Reformator mit Selbstgebrautem bei Laune gehalten. Und überhaupt seien die heutigen Kaffeekränzchen aus der Tradition der Bierkränzchen entstanden. Wie zum Beleg zitiert sie ein altes Sprichwort: „Was glauben sie, warum es heißt: Backen und Brauen gerät nicht immer?“
Schwester Doris liebt solche Weisheiten. Sie hängen überall: In ihrem Stüberl, im Sudhaus. Natürlich auch in ihrem Büro, neben dem Bild, das sie mit Helmut Kohl und TheoWaigel bei einem Treffen der Mittelstandsvereinigung in Bonn zeigt. Den bemerkenswertesten Satz für eine Brauerin sagt sie aber, als sie gerade die Abfüllanlage vorführt: „Sie wissen ja, Bier macht dumm!“ Ein paar Schritte weiter erfährt man, was die 59-Jährige damit meint: „Ein Bier ist besser als kein Bier, aber drei Bier sind nicht besser als zwei“, doziert sie. Seit langem kämpft die Ordensschwester gegen Flatrate-Partys und andere Alkohol- Exzesse: „Bier ist ein so gutes Getränk. Das sollte man nicht dazu nutzen, um sich zu besaufen.“
Klare Ansichten
Auch sonst hat die Bauerstochter klare Ansichten: Weißbier braut sie nicht, weil es ihr selbst nicht schmeckt. Bier- Mix-Getränke hält sie für einen Schmarrn. Und als die jüngeren Schwestern vor einigen Jahren während der Fastenzeit statt Bier nur noch Mineralwasser ausschenken wollten, protestierte sie lautstark: „Mineralwasser muss man kaufen, Bier haben wir selbst.“ Seitdem fließt im Kloster wieder das hauseigene Getränk. Bleibt eine Frage, doch an der haben sich schon ganz andere die Zähne ausgebissen: Was ist ihr Geheimrezept? „Im Kloster gibt’s keine Geheimnisse“, antwortet sie barsch. Sie führt uns schließlich nach oben. Dort, unterm Dach der Brauerei, steht das Kühlschiff, eine alte Kupferwanne, in der bis zu 3600 Liter Bier abkühlen können. „In moderneren Brauereien ist diese Art der Zubereitung längst als unwirtschaftlich verpönt.“
Doch von Energiesparen will Schwester Doris nichts wissen: „Erst hier bekommt das Bier den richtigen Geschmack.“ Zehn bis fünfzehn Jahre will die Mallersdorferin noch weitermachen. Aber weil bisher keine Nachfolgerin in Sicht ist, bleibt sie vielleicht noch ein bisserl länger. Die Arbeit in der Brauerei mache ihr weiterhin Spaß. Und wenn sie nach getaner Arbeit abends bei ihrer Halben im Kloster sitzt, dann freut sie sich über den wohlschmeckenden Trunk. Das Limo, das sie früher gern mochte, das hasst sie mittlerweile: „Das ist mir einfach viel zu süß.“
Daniel Aschoff
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