Belebend, verstörend und leicht zu reinigen

Knalleffekte, Salztanker und leere Sockel: Ein AZ-Streifzug zum Wochenende durch Nürnbergs Galerien im Ausstellungsrausch
von  Abendzeitung
Auch ein schöner Rücken... Shahryar Nashat sabotiert museale Sehgewohnheiten.
Auch ein schöner Rücken... Shahryar Nashat sabotiert museale Sehgewohnheiten. © Berny Meyer

NÜRNBERG - Knalleffekte, Salztanker und leere Sockel: Ein AZ-Streifzug zum Wochenende durch Nürnbergs Galerien im Ausstellungsrausch

So viel zu sehen und so wenig Zeit: Nürnbergs Galerien sind im Ausstellungsrausch. Ein AZ-Wegweiser durch die Wochenend-Etappen des Kultur-Parcours.

Einen Knalleffekt setzt Verena Manz in der Lounge des Zumikon (Großweidenmühlstraße 31). Kunterkunst, die süchtig macht – auch die Nürnbergerin selbst. Ihre Figuren und Skulpturen entstehen aus Streifen von Zeitungspapier, in verleimten Schichten, was die runde Formen gibt, an denen Manz so lange weiterklebt, bis die Figur gerade noch durch die Wohnungstür passt. Figuren bekommen dann weiße Farbe und Klarlack als Überzug, „ weil’s leichter zu reinigen ist.“ Auf Skulpturen und Objekte kommt hingegen eine Farbhaut, für die knallbunt als Beschreibung nicht reicht: Manz liefert Detonationen in Neon, nach denen man gern mal zehn Minuten grau sähe. Belebend. Direkt daneben verlangt Mario Sala mehr Geduld. Hauptbestandteil der Ausstellung des Schweizers sind Zeichnungen, ergänzt durch fünfspaltige Texte. Die Texte, in sachlich-berichtendem Zeitungsduktus entwerfen Szenerien von skurriler Furchtbarkeit, mit den Zeichnungen illustriert Sala den kafkaesken Wahnsinn: ein Tanker, der mit 47000 Tonnen Salz durch imaginäre Salzfelder und die dort lebenden Ureinwohner pflügt. Faszinierend, beunruhigend.

In der Nachbarschaft, in der Galerie Bernsteinzimmer (Großweidenmühlstr. 11) geht es ab Sonntag um 17 Uhr weiter – „Rausch“ ist das Motto der diesjährigen Themenausstellung, umgesetzt etwa von Harri Schemm mit seinem Bob Marley-Altar (auf dem die zwei Zigaretten-Warnungs-Worte „tödlich sein“ zu lesen ist), oder von Anders Möhl, der einen Hirsch erst aus einem Digitalfoto schnitt, um ihn dann per Ausdruck und Bemalung in einen psychedelischen (und erotischen!) Kräuterlikör-Hintergrund zu tunken. Umgekehrt arbeiten Karin Kaa Ridels „virtual drugs“: Sie schneidet, schichtet, verblendet aus Fotos einen Video-Farbrausch – dessen Momentaufnahmen die Wand gegenüber zieren. Berauschend.

Der Ausstellungsmechanik widmet sich der Schweizer Sharyar Nashat mit „Line Up“ im Kunstverein Albrecht Dürer (Kressengartenstr. 2). Auf einer verstörend in den Raum ragenden Sichtachse steht eine leere, halbierte Vitrine und ein leerer Sockel. Im Nachbarraum setzt sich das Meta-Konzept fort, hier wird konsequent reduziert: Auf einen Spiegel, der nur die Beine, nie den Oberkörper zeigt, eine Wand, an der die Gemälde fehlen – nur die Beschriftung gibt einen Hinweis, dass hier was fehlt. Beleerend.

Am Samstag um 20 Uhr eröffnet der Kunstverein Kohlenhof in seinem 25. Jahr im neuen Quartier in der Grasersgasse 15, gegenüber vom Germanischen Nationalmuseum mit einer Schau von Andreas Kragler. „KTOL“ nennt der seine Werke, „Kein Tag ohne Linien“: täglich seit 2 Jahren zeichnet der Akademie-Absolvent Linien-Transformationen in ein Buch. Die Scans daraus gibt es nun ausgedruckt und weiterentwickelt immer im Doppel zu sehen. Auf drei Großformaten bleibt er dem ordnenden Linien-Prinzip treu, setzt aber ein kariertes Bild auf zwei Holzböcke, was ironisch an Tischdecken erinnert. Transformation ist Thema seiner Skulpturen-Schichtungen, sie spielen mit der Oberfläche. Linientreu.

Wer nicht bis zur Ausstellungs-Eröffnung warten mag, begibt sich zum „tatort“ – mit dem Zusatz „Atelier“, bitte. Samstag und Sonntag öffnen 38 Mitglieder des Berufsverbandes Bildender Künstler aus allen Kunstsparten ihre Wirk- und Werkstätten. Das gibt frühzeitig Ausblicke auf Kommendes in Mittelfranken. Details unter: blog.bbk-nuernberg.dea. Vernetzt.

Die Galerie Albrecht Dürer Straße 1präsentiert heute ab 11Uhr Michael Philipp Schnitzers „Controverse“ – eher konventionelle Farb- und Formkompositionen. Vertraut.

Empfehlenswert: Gerhard Mayer in der Galerie Oechsner, die Ehe-Paarung Hans-Peter Reuter/Hildegard Fuhrer in der Galerie Defet (beides Gustav-Adolf-Str. 12) so wie der „Turm der Fotografie“ am Laufer Tor von Günter Derleth und Herbert Liedel. mm/mur

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