„Bei den Proben lachen wir uns immer noch einen Ast“

Weltweit auf der Suche nach dem musikalischen Gold: Die 17 Hippies aus Berlin spielen im Erlanger E-Werk.
von  Abendzeitung
Fertig machen für die Konzertbühne: Die 17 Hippies um Kiki Sauer (vorne) sind mit ihrem weltumspannenden Sound auf Erfolgskurs.
Fertig machen für die Konzertbühne: Die 17 Hippies um Kiki Sauer (vorne) sind mit ihrem weltumspannenden Sound auf Erfolgskurs. © Veranstalter

NÜRNBERG - Weltweit auf der Suche nach dem musikalischen Gold: Die 17 Hippies aus Berlin spielen im Erlanger E-Werk.

Bei ihnen sitzt die Welt auf der Veranda, der Sommer vorm Balkan. Die bezwingende Großkapelle 17 Hippies, die bekanntlich nur 13 sind, kombinieren auf dem neuen, schillernden Album „El Dorado“ Krautrock-Schnipsel und Rumänien-Groove, französischen Abschiedsschmerz und Cajun-Überschwang, Bosporus und Bollywood: eine Suche nach dem musikalischen Gold. Es ist ein „Hobby, das außer Kontrolle geraten ist“. Die Berliner Band, deren Namen die Amerikaner großartig finden und die Engländer grauenhaft, liefert Soundtracks zum Großstadtleben (wie in Andreas Dresens Film „Halbe Treppe") und reist jährlich in 120 Konzerten um die ganze Welt. Am 3. März, 21 Uhr, ist das Erlanger E-Werk Station. Wir sprachen mit Sängerin, Akkordeonistin, Managerin und Sprachrohr Kiki Sauer.

AZ: Frau Sauer, die 17 Hippies waren gerade in China, davor in Kanada. Gibt es jenseits der Temperatur unterschiedliche Erkenntnisse mit gegensätzlichen Kulturkreisen?

KIKI SAUER: Dass die Welt groß ist und doch so klein. Freude, Neugier, Party machen – das gibt's überall auf der Welt. Die Art und Kommunikation sind aber sehr unterschiedlich. Die Chinesen etwa fragen intensiv danach, wie man ihr Land findet. Wenn man nach Quebec kommt, stößt man überall auf europäische Vorfahren. Dort verbindet jeder etwas mit unserer Musik. Für die Chinesen ist sie neu. Da gibt es bestimmt eine Offenheit, die man als Musiker gar nicht mitbekommt. Den Begriff Weltmusik fanden die Amerikaner übrigens schon immer lustig: „Worldmusic“, was ist das denn?

Täuscht der Eindruck oder sind die Hippies weiter Propheten im eigenen Land – also unter Wert gehandelt?

Zum einen ist unsere Musik keine, die man in den Charts findet. Jenseits davon wissen die Menschen nicht, was läuft. Da spielen die Medien eben eine große Rolle. Zum anderen muss man generell fragen: Wie lässt sich Erfolg messen? Wenn jemand den Grimme-Preis gewinnt, gehört das in den Kunstbereich. Aber als wir jetzt die Musik für eine ZDF-Komödie, ein seichtes Ding, machten, nahmen die Leute uns plötzlich wahr. Das fand ich interessant.

Nach 14 Jahren hat das Kollektiv seinen basisdemokratischen Spaß eingedämmt. Ging damit auch ein Stück Unbekümmertheit flöten?

Das geht doch in jeder Beziehung so: Anfangs verliebt man sich, dann flutscht's, vielleicht heiratet man. Und geht Verantwortung ein. Auch für das Publikum. In den Proben lachen wir uns freilich immer noch einen Ast. Die Unbekümmertheit ist immer noch da, wo sie sein soll: Beim Musik machen.

Bei den 17 Hippies wird verstärkt von „New Berliner Style“ gesprochen. Das müssen Sie mal erklären?

Das haben, glaube ich, die Franzosen geprägt. Im Pariser „Olympia“ kamen Leute auf uns zu und sagten: Ihr klingt so, wie wir uns Berlin immer vorgestellt haben. Das Freudige der 20er Jahre. Berlin wird immer mehr zu einer Vorstellung. Alle wollen dort leben. Die Stadt muss etwas Bestimmtes ausstrahlen, so dass die Leute glauben, hier darf ich sein, wie ich bin. Die würden sich ganz schön wundern über den Ur-Berliner, der gerne ein bisschen schlecht gelaunt ist. Also: Da wird viel reinprojiziert. Aber die 17 Hippies hätte es nicht gegeben, wenn wir nicht in Berlin wären.

Ist diese Melange Spiegelbild der Großstadt oder Fenster zur Welt?

Es ist eine Identitätssuche: Wir sind alle zwischen 40 und 60, hatten keine Roots und gruben unheimlich. Alles war angekoppelt an amerikanische Songs und Folk, bis man auf die Idee kam, auch einen deutschen Walzer zu spielen. Die Geschichte der Hippies hat unheimlich viel mit dem Mauerfall zu tun: Auf einmal war der Osten da. Neue Instrumente wurden eingeführt, es tönte unangestrengter als Rockmusik.

Der Gesang bricht sich immer mehr Bahn. Warum?

Anfangs haben wir ja gar nicht gesungen, weil wir uns auf die Instrumente konzentriert haben. Und dann gab's ein Gruppenproblem: Es konnten alle singen, aber einen sollte man herausstellen. Wir haben uns da rangearbeitet und uns gesagt: Komm, wir machen das mal, haben auch mit Deutsch die Hose runtergelassen. Wenn jeder ein Platzhirsch in dem gesamten Gefüge sein kann, ist das auch ok.

Auf „El Dorado“ ist auch mehr Platz für französische Chanson-Melancholie. Vorliebe oder Marktzugeständnis?

Weiß ich gar nicht so genau, ob das im Vergleich zum Vorgänger „Heimlich" gewachsen ist. Aber ich bin ganz bestimmt große Melancholikerin. Ich sehe da gar nichts Dunkles dabei. Eher eine Sehnsucht, die uns weiter trägt.

Machen die Hippies Tanzmusik?

Auf jeden Fall. Eine CD ist eine CD. Das, was wir live machen, ist ein Teil von uns, und ein großer. In Deutschland brauchen die Leute immer etwas, um reinzukommen, aber dann wird auch hier getanzt.

Interview: Andreas Radlmaier

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