Beerdigung der kleinen Sarah: Der einsame Abschied

THALMÄSSING - Thalmässing unter Schock: Die Großeltern des verhungerten Mädchens tragen ihr Enkelkind zu Grab – ohne Trauerfeier und ohne Glockenläuten
Sie ist verhuntert, jetzt wurde Sarah beerdigt: Kein letzter Gruß vom Vater, keiner von der Mutter. Nur ein kleines Blumengebinde war das dreijährige Kind aus Thalmässing seiner Familie wert. Gelbe Rosen und Sonnenblumen schmückten den weißen Kindersarg, in dem der kleine Körper neben zwei weiteren Kindergräbern zu seiner letzten Ruhe gebettet wurde. Auf der Schleife kein Wort von Liebe, Trauer, Entschuldigung – sondern nur vier Worte „Deine Opa und Oma“. Daneben zwei Seiten mit ausgedruckten Trauergedanken, die so gar nicht zu dem furchtbaren Fall passen mögen. „Das ist richtig herzlos“, schüttelt eine alte Dame den Kopf, die das Grab ihres Mannes besuchte.
Sarah wurde nur drei Jahre alt. Bei ihrem Tod wog sie nur noch acht Kilo. Gegen die Eltern wurde Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Totschlags erlassen. Das Mädchen schien von seiner Familie nicht nur im Leben vergessen worden zu sein, sondern auch im Tod. Nur fünf Angehörige kamen am Samstag zur Beerdigung auf den kleinen Friedhof in Mühlstetten. Unter ihnen die Großeltern, die regelmäßig ihren Bruder Dominik abgeholt hatten – obwohl der Vierjährige im Gegensatz zu Sarah nicht ihr leibliches Enkelkind war.
Es gab keine Trauerfeier, keine Musik, kein Glockenläuten. Nach nur 20 Minuten waren die Angehörigen schon wieder verschwunden. Zurück blieb ein kleines Grab mit einem weißen schlichten Holzkreuz. In goldener Schrift hatte der Bestatter den Namen Sarah aufdrucken lassen.
Wie konnten die Großeltern, die Familie das langsame Sterben übersehen? „Die Frage nach der Verantwortung und der Schuld darf bei einer Beerdigung keine Rolle spielen. Es ist nicht unsere Sache, zu richten“, sagt Pfarrer Johannes Arendt, selbst fünffacher Vater und Opa eines Enkelkindes. „Sarah hat einen grausamen Hungertod erlitten. Wenn wir dieses Mädchen beerdigen, wollen wir damit ausdrücken, dass auch sie ein Kind Gottes ist. Wir können sie nur der Liebe und Gnade Gottes anvertrauen. Das allerdings liegt nicht in unserer Macht.“
250 Menschen nahmen gestern früh dann in Thalmässing in einem Gottesdienst Abschied von Sarah. „Wir wollen mit dieser Andacht diesem schlimmen Ereignis einen Raum der Trauer, des Entsetzens und der Fassungslosigkeit geben“, sagte Pfarrer Frank Zimmer. Die Tragödie um das Mädchen hatte den 5300-Einwohner-Ort erschüttert. Trauergäste stellten Kerzen und Teddybären vor dem Haus des Mädchens auf. Familienministerin Christine Haderthauer hat derweil die Nachbarn heftig kritisiert: „Niemand stand zu seiner Verantwortung, dem Jugendamt rechtzeitig zu sagen: Könntet Ihr da mal bitte nachschauen, was da los ist?“
Andrea Uhrig