Bedroht, bespuckt, verprügelt: Das Leiden der Schiedsrichter

Die Situation im Amateurfußball eskaliert: Aggressive Zuschauer und Spieler machen den Referees das Leben zur Hölle. Viele hören deshalb auf - die AZ zeigt, wie schlimm es teilweise zugeht.
Thomas Gautier |
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Spielbericht Eintracht München - ESV Freimann, 17. November 2012.
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Olympiadorf Concordia - SC Inhauser Moos, 9. September 2012.
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Olympiadorf Concordia - Ismaning II, 1. April 2012.
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Eintracht Karlsfeld - JFG Union München-Ost, 9. Oktober 2012.
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Die Situation im Amateurfußball eskaliert: Aggressive Zuschauer und Spieler machen den Referees das Leben zur Hölle. Viele hören auf – die AZ zeigt, wie schlimm es teilweise zugeht

Ein Fußballspiel dauert eigentlich 90 Minuten, aber in München ändert sich das gerade. Immer mehr Spiele in den Amateurklassen werden vorzeitig abgebrochen – weil Zuschauer das Feld stürmen, Spieler aufeinander losgehen oder Schiedsrichter bedrohen. Andreas Hitzlsperger (39) hat das selbst erlebt. So oft, dass er jetzt nach 20 Jahren aufhört.

Wenn er in letzter Zeit ein Spiel anpfiff, hatte er vor allem: 90 Minuten Angst.

Auch Jürgen Schreier (39), Obmann der Dachauer Schiedsrichtergruppe und damit Hitzlspergers Chef, will nicht mehr – genauso wie der Dachauer Schiri Daniel Maurer, der vor kurzem tätlich angegriffen wurde. Gestern legten noch zwei weitere ihr Amt für immer nieder – und ein Vater hat seinem Sohn verboten, weiter Spiele zu pfeifen. Sechs Abgänge in einer Woche. Wenn das so weitergeht, gehen dem Norden bald die Schiris aus.

„Ein Spieler drohte: Er sticht mich ab und steckt mein Haus an“

Was Münchner Unparteiische jedes Wochenende erleben, zeigen die Spielberichte. Andreas Hitzlsperger sammelt sie seit Jahren – „ich habe hunderte daheim“, sagt der Bruder des Ex-Nationalspielers Thomas Hitzlsperger. Zuschauer und Spieler sprechen Morddrohungen aus, beleidigen sie als „Nazis“ , „Bastard“ oder „Hurensohn“. Die Unparteiischen stecken Schläge ein, werden angerempelt und müssen oft unter Begleit- oder Polizeischutz zu ihrem Auto (siehe Bildgalerie).

Hitzlsperger kennt das alles aus eigener Erfahrung: „Mir hat ein Spieler mal gedroht, er sticht mich ab und steckt mein Haus an. Einmal stand einer vor meiner Tür. Das sind Sachen, da kriegt man es mit der Angst zu tun.“

Wütende Zuschauer, jähzornige Spieler, Beleidigungen – das gibt es im Amateurfußball schon lange. „Seit September ist es aber wirklich eskaliert“, sagt Hitzlsperger. „Da hatten wir schon acht brutale Attacken allein in München.“ In Rosenheim schlugen Spieler einen Unparteiischen Anfang Oktober sogar fast blind (AZ berichtete).

„Jede Woche gibt es Angriffe – sogar die Trainer haben Angst“

Jürgen Schreier will für so etwas nicht mehr die Verantwortung tragen müssen. „Ich will keinen Anruf bekommen, dass einer meiner Schiedsrichter krankenhausreif geschlagen wurde“, sagt der Vater von zwei Kindern. „Wir haben jetzt wöchentlich mindestens einen Fall in München. Sogar die Trainer haben Angst“ – einer vom SV Weichs habe wegen eines Gewaltspiels am 10.Oktober eben seinen Rücktritt angekündigt. Schreiers Fazit: „Disziplinlosigkeit und Gewaltbereitschaft nehmen immer mehr zu.“

Die einzige Chance, diese „Gewaltspirale“ zu beenden, seien härtere Strafen, sagen die Dachauer Schiris. Der Bayerische Fußballverband sperre sich aber dagegen. „Der Präsident dementiert alles, die Zahlen werden heruntergespielt“, sagt Hitzlsperger. „2014 sind Wahlen. Da will sich keiner vorwerfen lassen, er habe seinen Laden nicht im Griff.“

BFV-Sprecher Thomas Müther will das nicht gelten lassen. Jedes Wochenende fänden bayernweit 15000 Spiele statt, „die überragende Mehrheit“ verlaufe friedlich. Im Kreis München habe es 2012 bisher zwölf „von Sportgerichten abgeurteilte berechtigte Spielabbrüche aufgrund von Gewaltvorfällen oder Tätlichkeiten“ gegeben. Zahlen zu laufenden Verfahren nennt der BFV aber nicht.

Man nehme jeden Vorfall ernst, so Müther. Sportgerichten stünden ein Strafmaß bis zum Verbandsausschluss von einzelnen Spielern oder Vereinen zur Verfügung. Die Strafmöglichkeiten seien also „ausreichend“. „Harte Strafen alleine können die Probleme aber nicht lösen“, so Müther. Der BFV setzt lieber auf eine Anti-Rassismus-Kampagne, die Schiedsrichter-Aktion „Gemeinsam und Fair“ – und auf die Aktion „Keine Gewalt im Jugendbereich“.

 

 

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