Becksteins Bekenntnis: „Meine Frau ist gescheiter als ich“
Erstmals nach der Niederlage spricht der frühere Ministerpräsident über das Wahldrama, über seine gescheiterte Freundschaft mit seinem Ex-Chef Stoiber – und über seine ersten Gehversuche als Hausmann.
AZ: Sie werden morgen 65 ...
GÜNTHER BECKSTEIN: ...das ist leider unbestreitbar...
...und wollen noch ein paar Jahre weitermachen. Aber man hat den Eindruck, Sie könnten auch ohne Politik gut leben.
Ich habe zu meiner Überraschung mitgekriegt, dass mit dem Tag des Ausscheidens aus der Staatsregierung automatisch die Zulassung als Anwalt wieder auflebt. Tatsächlich werde ich auch in meiner Kanzlei wieder arbeiten. Aber das wird nicht zur Alltagsroutine werden. Stattdessen werde ich viel reisen. Bücher lesen. Mal wieder selber einen Vortrag ausarbeiten und nicht immer nur das vortragen, was mir andere aufgeschrieben haben.
Die Gefahr, dass Sie einmal eine Entbürokratisierungskommission in Brüssel leiten werden, besteht also nicht?
Das brauchen Sie nicht zu befürchten. Ich habe erklärt, dass ich kein Amt mehr anstrebe. Ich werde nur, soweit ich gefragt werde, meinen Rat geben. In selteneren Fällen auch ungefragt. Allerdings nicht über die Medien. Sondern nur im vertraulichen Gespräch.
Wäre es ein schönerer Abgang gewesen, wenn Sie als Innenminister aufgehört hätten, ohne dieses letzte Jahr?
Ich habe das Amt des Ministerpräsidenten nie als Krönung meiner Karriere empfunden. Natürlich wäre mir ein Wahlsieg lieber gewesen. Aber es war kein verlorenes Jahr.
Ab wann hatten Sie im Wahlkampf den Eindruck, dass es ungemütlich werden könnte?
Dass wir die absolute Mehrheit verlieren, hätte ich noch am Morgen des Wahltags nicht für möglich gehalten. Die Umfragen waren anders.
Früher hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Edmund Stoiber. Wie ist das heute?
Es gibt in jeder Beziehung Höhen und Tiefen. Unser Verhältnis war jahrzehntelang sehr eng. Aber die Zeit seit 2007 hat sicher in unserer Beziehung Spuren hinterlassen. Insgesamt verdanke ich Edmund Stoiber viel, sage aber auch, dass ich ein Stück zu seinem Erfolg beigetragen habe!
Das private Verhältnis existiert aber heute so nicht mehr?
Das stimmt. Aber es war schon seit seiner Kanzlerkandidatur nicht mehr so intensiv. Wege führen zusammen, und manchmal gehen sie auch wieder auseinander.
Wie enttäuscht sind Sie, dass er Ihnen die Unterstützung, die Sie vielleicht gebraucht hätten, nicht gegeben hat?
Da habe ich manches in der Zeitung gelesen. Ich habe nicht alles verstanden – und auch nicht verstehen wollen!
Wie lief die Entscheidung, zurückzutreten, eigentlich ab?
Es war die Nacht vom Dienstag auf Mittwoch nach der Wahl. Meine Frau hatte mir abgeraten, hinzuschmeißen. Am Dienstagabend hatte ich ihr auch noch versprochen, nicht ohne ihre Zustimmung eine Entscheidung zu treffen. Am Mittwochfrüh um 6 Uhr habe ich ihr Bescheid gesagt, kurz vor der Abfahrt nach München. Um 8 Uhr habe ich meinen Mitarbeitern dann die Rücktrittserklärung diktiert.
Wie hat Ihre Frau reagiert?
Traurig.
Aber man hatte, nicht nur wegen der Dirndl-Diskussion, den Eindruck, dass sich Ihre Frau in der Öffentlichkeit nicht so wohl fühlt.
Der Eindruck ist falsch. Meine Frau hat versucht, dieses Amt sehr ernst zu nehmen. Es war keine Belastung für sie. Soziales Engagement war für sie eben wichtiger, als in den Medien zu sein.
Umso erschreckender muss für sie doch die Diskussion um ihre Rolle gewesen sein.
Meine Frau ist gescheiter als ich. Der war die Diskussion ganz und gar egal.
Heißt das, dass Ihre Frau froh ist, dass Sie nun wieder häufiger zu Hause sind?
Wie man’s nimmt. Meine ersten Versuche im Haushalt waren ein Schlag ins Wasser. Neulich wollte ich die Waschmaschine erklärt bekommen. Das hat sie abgelehnt. Sie hatte Angst, dass ich mich jetzt in ihren Haushalt einmische.
Zurück zur CSU: Kann Horst Seehofer die Verwerfungen in der Partei glätten?
Die Garantie gibt’s natürlich nicht. Er hat von allen Leuten, die dafür in Frage kommen, derzeit die besten Voraussetzungen. Aber es wird vor allem wichtig sein, neue inhaltliche Akzente zu setzen. Wir müssen Antworten finden auf Fragen wie: Was heißt Soziale Marktwirtschaft in Zeiten der Globalisierung und der Finanzkrise? Wie kann man die Finanzmärkte bändigen? Wie kann man dafür sorgen, dass nicht Kapitalismus pur, sondern eben auch die soziale Einbindung sichergestellt wird? Da sind wir noch meilenweit von einer Lösung entfernt.
Interview: Andreas Hock, Michael Reiner
Das Interview in voller Länge - unter anderem ob Beckstein Präsident des 1. FCN werden möchte - lesen Sie in der Nürnberger Printausgabe Ihrer AZ am Wochenende, 22./23. November.