BayVGH: Verkaufsverbot für große Geschäfte verfassungswidrig

Klagen gegen die rigiden Einschränkungen in der Corona-Krise beschäftigen bundesweit die Gerichte. Doch die sprechen ganz unterschiedliche Urteile. Rechtlich ist die Lage unklar.
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Ein Schild mit der Aufschrift "Bayerischer Verwaltungsgerichtshof" hängt an der Fassade des Gebäudes. Foto: picture alliance / Peter Kneffel/dpa/Archivbild
dpa Ein Schild mit der Aufschrift "Bayerischer Verwaltungsgerichtshof" hängt an der Fassade des Gebäudes. Foto: picture alliance / Peter Kneffel/dpa/Archivbild

München (dpa/lby) - Bayerns höchstes Verwaltungsgericht hat das in der Coronakrise verhängte Verkaufsverbot für große Geschäfte mit mehr als 800 Quadratmetern für verfassungswidrig erklärt. Die Richter sehen es als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Das teilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) in München am Montag mit. Doch ist die deutsche Rechtsprechung in dieser Hinsicht gespalten: Die Oberverwaltungsgerichte von Niedersachsen und dem Saarland erklärten die 800-Quadratmeter-Verbote in separaten Entscheidungen für rechtens.

Unmittelbare Konsequenzen hätte die Münchner Entscheidung aber nicht: Das Gericht setzte die Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage "ausnahmsweise" nicht außer Kraft, wie es in der Mitteilung hieß. Außerdem gilt die Vorschrift vorerst nur bis 3. Mai. Deswegen beschränkte sich der 20. Senat darauf, die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz festzustellen.

In der Corona-Rechtsprechung gibt es bislang einen Flickenteppich, wie am Beispiel der Nürnberger Modehauskette Wöhrl deutlich wird. Das Unternehmen hat vor mehreren Verwaltungsgerichten geklagt, um eine beschränkte Öffnung seiner Filialen mit 800 Quadratmetern Fläche durchzusetzen. Vier Gerichte in Würzburg, München, Sigmaringen und Bayreuth haben das bislang erlaubt, drei weitere in Ansbach, Augsburg und Regensburg dagegen nicht.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte eine Korrektur der bayerischen Vorschrift an. Größere Geschäfte sollen öffnen dürfen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen, wie Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) dem "Münchner Merkur" sagte. Das Kabinett will die Vorschrift an diesem Dienstag entsprechend ändern.

Rechtlich zuständig für die Einzelhandelsbeschränkungen ist das Gesundheitsministerium, da es um den Infektionsschutz geht. "Ziel der bisherigen Regelung war der Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Infektionsgefahren", sagte ein Sprecher. "Dieses Ziel werden wir auch künftig verfolgen."

FDP-Landtagsfraktionschef Martin Hagen kritisierte: "Die 800-Quadratmeter-Regel widerspricht sowohl dem gesunden Menschenverstand als auch dem Grundgesetz". Die Regierung sollte schnell zu einer klaren Linie finden - "sonst schwindet die Akzeptanz der Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen".

Der Verwaltungsgerichtshof rügte insbesondere die Ausnahme von der 800-Quadratmeter-Vorschrift für Buchhändler und Fahrradhändler - das sei "aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt". Der Verwaltungsgerichtshof kritisiert, dass manche Einzelhändler nur einen Kunden je 20 Quadratmeter Fläche in den Laden lassen dürfen, andere aber nicht.

Geklagt hatte eine ungenannte Kaufhauskette mit Standorten in Bayern, Berlin und Hamburg. Der Verwaltungsgerichtshof entschied vorläufig über einen Antrag auf einstweilige Verfügung, das Urteil steht aus. Ein Zeitpunkt dafür ist derzeit nicht absehbar.

"Wir finden die Regeln wettbewerbsverzerrend und willkürlich", sagte Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbands Bayern. "Ein großes Möbelhaus kann den Abstand zwischen den Kunden genauso gewährleisten wie ein kleiner Einzelhändler." Auch die teilweise unterschiedlichen Vorschriften in verschiedenen Bundesländern ärgern den Einzelhandel: "Letztendlich kocht jedes Land sein eigenes Süppchen", sagte Ohlmann. Für die Unternehmen sei jeder einzelne Tag wichtig.

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