Bayerns Grüne wollen mehr Jagd auf Rotwild

Die Grünen im Landtag wollen Jäger auch in der Nacht auf Wild schießen lassen. Der Jagdverband reagiert entsetzt – genau wie Minister Aiwanger (Freie Wähler).
München - Grüner Hut mit Krempe, Schlamm ins Gesicht, Geruchsblocker auf Kleidung und Schuhe: Jäger wenden für Außenstehende zuweilen kuriose Tricks an, wenn sie sich in den Wald begeben. Geht es nach den Grünen im Landtag, kommt bald ein weiterer bizarrer Ausrüstungsgegenstand dazu: das Nachtsichtgerät.
Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bayerischen Landtag, fordert: höhere Abschussquoten für Rotwild, auch nachts. Denn der sogenannte Verbiss durch Rehe sei eine Gefahr für die bayerischen Wälder. "Solange wir die Schalenwildbestände nicht nachhaltig senken, sind auch flächige Neuaufforstungen wie Markus Söders 30-Millionen-Bäume-Programm nur eine neue Form der Ganzjahresfütterung für Rehe", sagt er.
Hartmann (Grüne): "Weniger Wild heißt mehr Wald"
Als Verbiss wird das Abbeißen von Knospen oder Zweigen junger Pflanzen durch Tiere bezeichnet. Dadurch wachsen beispielsweise Bäume langsamer, sie verkrüppeln oder können komplett absterben.
Hartmann will den heimischen Wald nicht allein durch Aufforsten retten. "Gepflanzte Bäume müssten aufwendig geschützt werden, besonders Tannen oder Laubbäume, da deren Triebe bei Rehen besonders beliebt sind. Mit einem höheren Jagddruck können wir auf die kostspieligen Zäune im Wald verzichten," sagt er.
Als zusätzliche Maßnahmen fordert er: revierübergreifendes Jagen, kürzere Pachtverträge bei den Staatsforsten sowie ein Verbot der Winterfütterung.
Aiwanger (Freie Wähler): "Nachtjagd ist kontraproduktiv"
Bei Bayerns Jägern löst dieser Vorstoß allenfalls Befremden aus. "Wir sind entsetzt, dass man general mobil macht gegen Rotwild", sagt Gertrud Helm, Sprecherin des Bayerischen Jagdverbands. Aus wildbiologischer Sicht sei es "völlig unsinnig" nachts den Jagddruck auf die eigentlich tagaktiven Rehe zu erhöhen, und ihnen damit die Möglichkeit zur Erholung zu nehmen.
Ähnlich kritisch sieht Bayerns Wirtschaftsminister und passionierter Jäger, Huber Aiwanger (Freie Wähler), die Forderung der Grünen. Er fürchtet, dass eine nächtliche Bejagung von Rehen und Hirschen genau das Gegenteil bewirkt, nämlich: vermehrt Verbiss- und Schälschäden. "Nachtjagd auf Rotwild, wie es die Grünen fordern, ist tierschutzwidrig und ökologisch kontraproduktiv", so Aiwanger.
Bei den Bayerischen Staatsforsten, die die 755.000 Hektar Wald im Besitz des Freistaats bewirtschaften, stößt Hartmanns Vorschlag ebenfalls auf Unverständnis. "Eine generelle Freigabe der Jagd mit Nachtzieltechnik auf Rot- oder Rehwild halten wir für nicht zielführend", sagt Sprecher Jan-Paul Schmidt. Die Jagd in den Dämmerstunden reiche aus, um "waldangepasste Wildbestände" zu erreichen.
Jagdverband spricht sich für stabile Wälder aus
Völlig aus der Luft gegriffen ist die Forderung der Grünen indes nicht. Die Staatsforsten erkennen an, dass es stellenweise Probleme mit Wildtieren gibt, die Jungpflanzen oder Baumrinden abbeißen. "Allerdings gibt es auch große Flächen im Staatswald, in denen die Verbissbelastung immer weniger wird. Wir sind hier generell auf einem sehr guten Weg", sagt Schmidt.
Werde der bayerische Wald von Monokulturen wie Fichten zukünftig zu Mischwäldern umgestaltet, müsse der Wildbestand aber jagdlich angepasst werden. Das heißt: Im Zweifel muss dann auch mehr geschossen werden.
Gertrud Helm vom Jagdverband spricht sich ebenfalls für stabile Wälder aus. Sie hält Ludwig Hartmanns Verbiss-Einwand für eine ideologische Forderung, keine ökologische: "Es kann nicht sein, dass Rehe schuldig gemacht werden für Dinge, die man in der Vergangenheit in der Waldaufforstung falsch gemacht hat."
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