Bayern warnt: Jugendämter bei Aufnahme von ukrainischen Waisen überlastet

Waisenkinder auf der Flucht vor dem Krieg in der Ukraine sind besonders auf Hilfe angewiesen. Erste Gruppen haben hierzulande Schutz gefunden. Doch Bund und Länder streiten um Zuständigkeiten.
AZ/dpa |
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Der Krieg in der Ukraine hat nach Angaben der SOS-Kinderdörfer schwerste Auswirkungen auf die Psyche der Kinder. (Symbolbild)
Der Krieg in der Ukraine hat nach Angaben der SOS-Kinderdörfer schwerste Auswirkungen auf die Psyche der Kinder. (Symbolbild) © Matthias Ziegler/SOS-Kinderdörfer weltweit

München - Bei der Aufnahme ukrainischer Waisenkinder hat Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) den Bund vor einer Überforderung der Jugendämter gewarnt.

Sie kritisiert, dass die Bundesregierung auch Waisenkinder, die mit Betreuungspersonen kämen, wie unbegleitete Minderjährige behandeln wolle. Damit seien generell Jugendämter und Jugendhilfe zuerst zuständig und hätten die Obhut über die Kinder. "Das ist eine glatte Überforderung. Sie schaffen das nicht", sagte Scharf in München.

Scharf: "Wenn Gruppen getrennt werden müssen, dient das nicht dem Kindeswohl"

"Die Jugendämter müssen dann entscheiden, wo kommt jetzt der Bus mit 20 Kindern und fünf Begleitpersonen hin. Das ist einfach praktisch nicht umsetzbar", sagte die Ministerin.

Ulrike Scharf (CSU), bayerische Staatsministerin für Arbeit, Soziales und Familie. (Archivbild)
Ulrike Scharf (CSU), bayerische Staatsministerin für Arbeit, Soziales und Familie. (Archivbild) © Tobias Hase/dpa/Archivbild

"Unsere Einrichtungen der Jugendhilfe sind auch nicht ausgelegt, eine so große Anzahl von Minderjährigen, zum Teil auch mit Behinderungen, unterzubringen." Dann müssten Gruppen getrennt werden. Das diene nicht dem Kindeswohl.

Scharfe Kritik an Bundesfamilienministerin Spiegel

Die CSU-Politikerin wirft Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) vor, die Bundesländer bei der Einstufung der Waisenkinder zu missachten. "Es gab dazu eine Bund-Länder-Schalte. Die Länder haben sich einstimmig gegen diese Einstufung ausgesprochen. Bundesfamilienministerin Spiegel hat diesen einstimmigen Beschluss vollkommen ignoriert. Das ist ein Skandal."

Der Bund dürfe sich nicht durch Festlegungen von Erstzuständigkeiten einmischen. "Es geht um eine Koordinierung für eine vernünftige Unterkunft", sagte Scharf. Es müssten jeweils im Einzelfall Lösungen gefunden werden. So würden die Gruppen in Bayern gemeinsam mit den begleitenden Erwachsenen in regulären Strukturen untergebracht.

Wie viele Kinder sind unter den aus der Ukraine Geflüchteten?

"Die Kinder, die hier gemeinsam aus einer Einrichtung in der Ukraine ankommen, müssen unbedingt zusammenbleiben", forderte Scharf. "Sie müssen auch mit ihren Begleitungen und dem Betreuungspersonal zusammenbleiben können." Das hatte auch Spiegel betont.

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Nach der Verteilung kämen natürlich auch Jugendämter und Jugendhilfe ins Spiel, sagte Scharf. "Dann können sie feststellen, wo braucht es jetzt zusätzliche Hilfe im Sinne der Jugendhilfe?"

Einzelne Einrichtungen in den Ländern haben schon Gruppen mit Waisenkindern aufgenommen, andere planen dies. Einen kompletten Überblick über die Zahlen der Kinder, die sich hierzulande aufhalten, haben das Bundesfamilienministerium und das Ministerium in München noch nicht. In einigen Bundesländern gibt es erste Zahlen dazu.

Mitte der Woche war die bundesweite Koordinierungsstelle für die Unterbringung ukrainischer Waisenkinder gestartet. Zentral ist eine Melde-Hotline des Vereins SOS-Kinderdorf für alle, die Wohnraum und andere Unterbringungen für ukrainische Waisenkinder anbieten können.

Über das an das Innenministerium angedockte Bundesverwaltungsamt können nach Spiegels Angaben vom Donnerstag etwa 100 bis 200 Kinder am Tag verteilt werden. Das Familienministerium geht von fast 100.000 Kindern aus, die derzeit in ukrainischen Waisen- und Kinderheimen aufwachsen. Etwa ein Drittel sei von dort in andere Länder geflohen.

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28 Kommentare
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  • Captown am 03.04.2022 13:10 Uhr / Bewertung:

    'Beamte' = generell überlastet, sobald es 'Arbeit' gibt!!!

  • Himbeergselchts am 02.04.2022 18:16 Uhr / Bewertung:

    An die Kritiker hier zu Jugendämtern: wer von Ihnen arbeitet in einem Jugendamt, weiß um die Personalsituation und Aufgaben? Ich bin seit 40 Jahren in einem bayerischen Jugendamt beschäftigt. Sozialer Dienst , BPV Beistandschaften, Pflegschaften, Vormundschaften, bei voller Verantwortung für Gesundheit, Wohl und oft genug für Leben. Für Pflegeeltern, Auswahlverfahren, Begleitung etc.
    7 Jahre davon in der Adoptionsvermittlung. Nicht verbeamtet, wie fast alle meine Kollegen und Kolleginnen. Auch wenn ich heilfroh um die neue Regierung bin - glauben Sie mir. Hier liegt Frau Spiegel falsch. Niemand kann ein Kind einfach in eine Pflegestelle oder an adoptionswillige Paare vermitteln. Wir brauchen Eltern für Kinder, nicht umgekehrt. Jedes Kind bringt eine Vorgeschichte mit, die berücksichtigt werden muss. Und die Frage aller Fragen lautet: wer ist geeignet und gewillt dieses Kind (x1000 bundesweit) zu begleiten? Uns laufen die Sozialarbeiter weg. 1/3 sind weg in den letzten 3 Jahren. Und…?

  • Boandlkramer am 03.04.2022 11:07 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Himbeergselchts

    Wie machen das denn andere Staaten, in denen es diese üppigen wohlfahrtsstaatlichen Strukturen wie bei uns nicht gibt?

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