Bayern mit beschränktem Ausgang: Verstöße und Infektionen
München (dpa/lby) - Das Wetter dürfte in den kommenden Tagen eine entscheidende Rolle beim Einhalten der Ausgangsbeschränkungen in Bayern spielen. Das zeigte sich schon am ersten Wochenende: War es am Samstag vielerorts nass und grau und entsprechend leer auf den Straßen, füllten sich die Parks und Alleen bei Sonnenschein am Sonntag. Die ersten Bilanzen von Polizei und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fielen aber positiv aus: Die meisten hielten sich an die Vorgaben. Derweil steigen die Infektions- und Todesfallzahlen.
Bei rund 25 000 Kontrollen bis Sonntagnachmittag stellten Polizisten nach Angaben des Innenministeriums etwa 500 Verstöße fest: Mal feierten Jugendliche eine "Corona-Party" mit Grillgut und Alkohol. Mal hatten Sonnenstudios und Friseure unerlaubt geöffnet. Mal hatten sich neun Menschen in einer Shisha-Bar getroffen, deren Fenster von innen abgeklebt waren. Sie alle wurden angezeigt. Laut Regierung können Geldbußen von bis zu 25 000 Euro verhängt werden.
Dennoch bilanzierten die Beamten etwa in Kempten: "Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zeigt sich einsichtig und kommt den Bestimmungen der Allgemeinverfügungen nach." Herrmann zog ebenfalls ein positives Zwischenfazit und betonte noch einmal: "Es geht jetzt darum, das öffentliche Leben so weit wie möglich zu beschränken."
In Bayern sind inzwischen 4457 Menschen positiv auf das Virus Sars-CoV-2 getestet worden (Stand Sonntag, 10.00 Uhr), wie das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit auf seiner Homepage mitteilte. 22 Patienten mit einer Infektion seien gestorben.
Bis zunächst 3. April gelten im gesamten Freistaat weitreichende Ausgangsbeschränkungen, mit deren Hilfe die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden soll. Das Verlassen der Wohnung ist nur noch bei triftigen Gründen erlaubt wie dem Weg zur Arbeit und zu nötigen Einkäufen. Dringende Arztbesuche sowie Sport und Spaziergänge an der frischen Luft sind möglich - dies aber in der Regel alleine. Gastronomiebetriebe aller Art müssen geschlossen bleiben. Ausnahmen bilden Auslieferungsdienste, Mitnahmeangebote und Drive-in-Schalter.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) machte am Samstag in einem Interview des Radiosenders Antenne Bayern noch einmal deutlich: "Es geht wirklich um Leben und Tod." Er rechtfertigte die Maßnahmen erneut: "Die ganze Welt reagiert. Dann muss auch Deutschland letztlich reagieren." Er hoffe, "dass wir so besser durch die Krise kommen als andere". Söder lobte das gesellschaftliche Engagement. "Ich glaube, dass wir am Ende als Land gestärkt herauskommen können." Vielleicht würden die Menschen am Ende erkennen, was wirklich wichtig sei.
Söder und der Leiter der Staatskanzlei, Florian Herrmann (CSU), erklärten, dass etwa Handwerker weiter arbeiten dürften. In kleinem Rahmen seien etwa auch Hochzeiten und Wohnungsumzüge erlaubt. Das Motto laute: Was sich verschieben lässt, soll verschoben werden. Wenn etwas nicht verschoben werden könne, sollten nur wenige Menschen beteiligt werden - also beispielsweise keine Hochzeitsfeier mit 100 Gästen. Passierscheine wie etwa in Frankreich seien nicht nötig, sagte Söder. Hilfreich sei aber, wenn man sich ausweisen und nachvollziehbar begründen könne, warum man auf welchem Weg sei.
Um den Andrang in Supermärkten zu entzerren, hat Bayern die möglichen Ladenöffnungszeiten ausgeweitet - doch die großen Ketten machen davon keinen Gebrauch. Grund ist, dass Mitarbeiter geschont werden sollen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Die Unternehmen versuchen aber mit Maßnahmen wie "Spuckschutz" an den Kassen und Abstandsmarkierungen für Kunden, die Infektionsgefahr zu verringern.
Verkehrsunternehmen wie die Länderbahn oder die Münchner Verkehrsgesellschaft wollen den Betrieb ebenfalls aufrechterhalten, solange genügen gesundes Personal arbeiten kann. Kunden werden aber gebeten, auf nicht zwingend nötige Fahrten zu verzichten.
Derweil werden auf Intensivstationen auch in Deutschland immer öfter junge mit dem Coronavirus infizierte Patienten behandelt, wie der Chefarzt Clemens Wendtner von der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing der Deutschen Presse-Agentur sagte. Er hatte Ende Januar die ersten mit Sars-CoV-2 infizierten Patienten in Deutschland behandelt und räumte nun ein, dass die Gefahr durch das neuartige Virus anfangs unterschätzt worden sei - von der Politik wie auch von der Wissenschaft. Auch junge Patienten seien nicht vor schweren Verläufen gefeit, warnte er. "Das soll wachrütteln, dass man sich an die Hygienevorschriften und Regelungen hält."
Der Chef der München Klinik, Axel Fischer, forderte die Politik in Bayern und im Bund dazu auf, bei der Vorbereitung der Krankenhäuser auf viele schwer kranke Corona-Patienten stärker die Führung zu übernehmen. Sie hätte schon früher alle nicht notwendigen Operationen auch an privaten Krankenhäusern untersagen müssen, erklärte der Vorsitzende der Geschäftsführung des bundesweit zweitgrößten kommunalen Klinikums. Angesichts des Todes von allein neun Patienten aus einem Würzburger Pflegeheim forderte die Deutsche Stiftung Patientenschutz von Bund und Ländern, endlich überzeugende Maßnahmen zum Schutz von Pflegebedürftigen gegen das Coronavirus einzuleiten.
Kritik am Vorgehen der Staatsregierung kam unter anderem von führenden Politikern von SPD und Grünen. So bezeichnete Grünen-Co-Bundeschefin Annalena Baerbock es als "kontraproduktiv", wenn Söder jetzt schon solche weitreichenden Maßnahmen umsetze. Er habe den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz inne und solle eigentlich koordinieren, sagte sie der "Welt".