Bayern: Freiwillige Feuerwehren am Limit

Bayerns "Helfer in der Not", die Freiwilligen Feuerwehren, haben nicht nur immer mehr Aufgaben, sondern melden auch immer mehr Fehlalarme. Das sorgt für Frust.
von  Julia Sextl
Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern (LFV).
Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern (LFV). © Tobias Hase/dpa

München - Sie werden angefordert, wenn's brennt – jetzt schlagen sie selber Alarm: Bayerns Feuerwehren. "Es kommt halt immer öfter zu Fehlalarmen", sagt Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern (LFV).

Bayernweit seien es im Schnitt rund 30.000 unnötige Einsätze – von insgesamt rund 260.000. "Eine massive Belastung für die Kollegen", so der 60-Jährige. Bei den Einsatzkräften im handelt es sich fast immer um ehrenamtlich tätige Feuerwehrleute (315.000 bayernweit, davon 30.000 Frauen). Nur Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern haben auch Berufsfeuerwehren, deren Mitarbeiter fest angestellt sind. "Das sind ungefähr zehn- oder elftausend", so Weinzierl.

Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern (LFV).
Alfons Weinzierl, Vorsitzender des Landesfeuerwehrverbands Bayern (LFV). © Tobias Hase/dpa

Ohne Freiwillige Feuerwehren: 45 Millionen Euro Kosten pro Jahr

Der LFV-Vorsitzende fordert von den Behörden mehr Unterstützung für die Freiwilligen Feuerwehren. Die Einsätze gingen oft über die eigentlichen Aufgaben der Feuerwehr hinaus, das schafft Unmut – nicht nur bei den Feuerwehrleuten.

"Man muss auch mal an die Arbeitgeber oder die Familien denken: Wenn unsere Feuerwehrleute bei einer Alarmierung vom Stuhl aufspringen, wo auch immer sie gerade sind – dann aber stundenlang nicht mehr zurückkommen, weil sie zum Beispiel mal wieder ewig auf den Abschleppdienst haben warten müssen." Dies sei kein Einzellfall, sagt Weinzierl. Etwa, wenn die Feuerwehr bei Unfällen auf der Straße den Absperrdienst übernimmt – was aufgrund des gestiegenen Verkehrsaufkommens regelmäßig vorkommt.

"Das ist eigentlich die Aufgabe der Polizei, aber die hat nicht genug Personal. Oder der Autobahn- oder Straßenmeisterei – da bräuchte es halt am Wochenende zum Beispiel einen Bereitschaftsdienst. Aber das würde dann natürlich wieder Geld kosten", so Weinzierl.

Alfons Weinzierl mahnt: "Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir die Ehrenamtlichen nicht überfordern."
Alfons Weinzierl mahnt: "Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir die Ehrenamtlichen nicht überfordern." © Jens Büttner

Allerdings: Würde es die Freiwilligen Feuerwehren nicht geben, wären die Kosten ungleich höher. "Wenn sich keiner mehr zur Verfügung stellt, müsste man auch auf dem Land Berufsfeuerwehren einrichten. Das wären dann für einen durchschnittlich großen Landkreis zwischen 600 und 800 hauptamtlich Angestellte", rechnet Weinzierl vor. Schließlich brauche man für 365 Tage einen Dreischichtbetrieb.

"Da wären wir dann bei 40 bis 45 Millionen Euro Kosten pro Jahr – also 1.500 bis 1.800 Euro, die jeder Haushalt im Jahr zusätzlich zu zahlen hätte", so der LFV-Vorsitzende. "Deshalb muss man es nochmal klar sagen: Jeder steht hier in der Verantwortung! Am besten, man macht gleich selber mit – oder schickt zumindest seine Kinder zur Jugendfeuerwehr."

Immer mehr Aufgaben für die Freiwilligen Feuerwehren

Neben mangelnder Unterstützung durch Behörden, die nach Ansicht Weinzierls zu viele Aufgaben auf die Feuerwehr abwälzen – neben den Absperrdiensten etwa auch die Absicherung von Veranstaltungen – kritisiert er auch Teile der Bevölkerung: Besonders die Unfall-Gaffer machten den Feuerwehrleuten die Arbeit schwer, wenn diese als Ersthelfer wertvolle Hilfe leisten oder Autowracks bergen müssen.

Zudem würde die Feuerwehr oft wegen kleiner Lappalien gerufen: "Weil ein Ast auf der Straße liegt, den man auch selber schnell zur Seite hätte ziehen können", so Weinzierl. "Oder weil eine kaputte Waschmaschine eine kleine Überschwemmung verursacht hat, die man leicht selber aufwischen könnte." Die Brandbekämpfung macht nur noch rund zehn Prozent aller Einsätze aus. Doch besonders hier entstehe viel Frust: "Wir haben immer mehr Fehlalarme. Oft, weil die Brandmeldeanlagen nicht ordnungsgemäß gewartet werden", sagt Weinzierl und mahnt: "Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir die Ehrenamtlichen nicht überfordern."


So ist es in München

Die Landeshauptstadt wird hauptsächlich von der Berufsfeuerwehr betreut, die 1.679 Einsatzkräfte zur Verfügung hat. Es gibt jedoch auch eine Freiwillige Feuerwehr in München mit 917 ehrenamtlichen Einsatzkräften, davon 90 Frauen (Stand: Ende 2018). Diese war im Jahr 2018 bei insgesamt 3.179 Einsätzen dabei.

Nach Angaben der Stadt München gab es im Jahr 2018 84.567 Alarmierungen (2017: 79.167). Davon wurde 60.077 Mal der Rettungsdienst gerufen (2017: 52.621), für den in München auch die Feuerwehr zuständig ist.

6.678 Alarmierungen gab es aufgrund von Bränden (2017: 6.430). 4.056 waren allerdings Fehlalarme (2017: 4.017). Für sonstige Hilfsleistungen wurde die Feuerwehr 17.812 Mal alarmiert (2017: 20.116) – dabei allerdings 346 Mal umsonst (2017: 43).

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