Bayern darf weiter mit steigenden Steuereinnahmen rechnen

München (dpa/lby) - Bayern muss im Gegensatz zum Bund seine Steuerschätzung für die kommenden Jahre nicht nach unten korrigieren. "Die starke wirtschaftliche Entwicklung in Bayern führt nach der Prognose der Steuerschätzer bis einschließlich 2020 zu Steuermehreinnahmen von insgesamt 227 Millionen Euro im Vergleich zum Schätzwert vom Oktober 2018", sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in München. Damit könne sich der Freistaat "in positiver Weise" von der rückläufigen Entwicklung auf Bundesebene abkoppeln. "Diese positive Entwicklung ist erfreulich, aber wahrlich kein Anlass übermütig zu werden."
Wegen der eingetrübten Konjunktur steigen die Einnahmen des deutschen Staates weniger stark als zuletzt. Bund, Länder und Kommunen müssen in Summe bis 2023 mit 124,3 Milliarden Euro weniger auskommen als noch im November erwartet. Im Bund ist daher eine Diskussion entbrannt, was das für die Projekte der Bundesregierung bedeutet, für die das erwartete Steuerplus eigentlich schon verplant war.
Für CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder muss der Bund schnell seine Politik umstellen: "Es reicht nicht, nur den Koalitionsvertrag abzuarbeiten und immer neues Geld zu verteilen. Jetzt braucht es eine entschlossene Wirtschaftspolitik. Der Koalitionsvertrag braucht ein ökonomisches Update", sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die Haushaltszahlen seien eine Chance, die Weichen neu zu stellen. "Die große Koalition braucht jetzt einen klaren Leitfaden: endlich entlasten, statt enteignen."
"Deutschland muss durchstarten für mehr wirtschaftliche Leistungsfähigkeit", betonte Söder. Dazu brauche es eine große Steuerreform mit Unternehmenssteuer und einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags. Zugleich dürfe es "keine verkorkste Grundsteuerreform oder eine einseitige CO2-Steuer" geben. Laut Söder brauche es stattdessen dringend mehr Investitionen für digitale Projekte wie künstliche Intelligenz und Robotik. "Deutschland droht sonst gegenüber China oder den USA den Anschluss zu verlieren."
Im November hatten die Steuerschätzer für die Zeit bis 2022 noch ein Plus von 6,7 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen berechnet. Auch das galt schon als Dämpfer, weil die Zuwächse in den Vorjahren deutlich höher waren. Bei der Vorstellung der Eckwerte für den Haushalt im März hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) schon geringere Einnahmen eingerechnet - trotzdem aber allein für den Bund noch mit 10,5 Milliarden Euro mehr gerechnet.
Konkret rechnet das bayerische Finanzministerium nun bei den Steuereinnahmen mit Verbesserungen von 175 Millionen Euro für das Jahr 2019 und von 52 Millionen Euro für 2020. Die in der kommenden Woche im Landtag stattfindenden Beratungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 können damit planmäßig abgeschlossen werden.
Die auch in Bayern ab 2020 deutlich weniger stark steigenden Steuereinnahmen beruhen nach Angaben des Finanzministeriums auf zwei Ursachen: Zum einen auf die drohende konjunkturelle Abkühlung und zum anderen auf gesetzlichen Neuregelungen, die sich erstmalig auf die Schätzung auswirken. Dazu zählen etwa der Abbau der kalten Progression und die Umsetzung des Starke-Familien-Gesetzes, welches ab dem Sommer den Kinderzuschlag erhöht. Das Problem der kalten Progression entsteht, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen lediglich die Inflation ausgleichen, die Kaufkraft aber nicht steigt.
Bayern und auch die anderen Bundesländer kämen in den nächsten beiden Jahren noch einmal mit einem blauen Auge davon, sagte die haushaltspolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Claudia Köhler. Aber ab 2021 werde auch der Freistaat möglicherweise mit einer Milliarde Euro pro Jahr weniger auskommen müssen. Angesichts der für den Doppelhaushalt 2019/2020 geplanten Entnahme von 3,6 Milliarden Euro aus der Rücklage zeige sich eine "unverantwortliche und kurzsichtige Haushaltspolitik" von CSU und Freien Wählern.
Landtags-SPD-Haushaltssprecher Harald Güller forderte umgehend mehr Investitionen in bezahlbaren Wohnraum, öffentlichen Personennahverkehr und die Digitalisierung an Schulen. "Für Söders Steuersenkungsfantasien habe ich dagegen kein Verständnis. Die nützen wieder nur den Reichsten in Bayern", sagte er.
Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger verteidigte die Politik von Schwarz-Orange: "Wir stemmen uns als Freistaat mit aller Kraft gegen eine abflauende Konjunktur." Jetzt müsse weiter gezielt in Zukunftsprojekte investiert werden.