Bayerisches Integrationsgesetz teilweise verfassungswidrig
Das Bayerische Integrationsgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Das hat der Verfassungsgerichtshof in München am Dienstag entschieden. Vor dem Justizpalast hatte das Bündnis "#noPAG" zuvor mit einer Kunstaktion Aufsehen erregt.
München - Klatsche für die CSU: Der Bayerische Verfassungsgerichtshof (BayVerfGH) hat etliche Bestimmungen des vor drei Jahren verabschiedeten Bayerischen Integrationsgesetzes wegen Verfassungsverstoßes für nichtig erklärt und aufgehoben.
Darum geht’s: Das umstrittene Integrationsgesetz ist von der CSU – damals hatte sie noch die absolute Mehrheit – gegen die Stimmen der übrigen Fraktionen beschlossen worden. Nach Meinung der Grünen und der SPD enthalte beispielsweise die Verpflichtung, die nach Bayern kommenden Menschen zur Achtung der sogenannten Leitkultur zu verpflichten für einen unzulässigen Eingriff in den privaten Lebensbereich.
Bayerisches Integrationsgesetz zum Teil verfassungswidrig
Was der Verfassungsgerichtshof jetzt ablehnt: Die Präambel zum Gesetz wegen des darin verwendeten Begriffs der "Leitkultur" zu kippen, lehnte der BayVerfGH ab. Die Begründung: Der "hohe Abstraktionsgrad dieser Zielvorstellungen" mache deutlich, dass die Präambel "kein unmittelbar anwendbares Recht" darstelle. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Horst Arnold übersetzte das so: Der Begriff sei ohnehin so "unbestimmt", dass er nicht anwendbar sei.
Was die Verfassungsrichter kippen: Wo es mit der "Leitkultur" aber konkret wird und diese mit Sanktionen im Gesetz bewehrt ist, haben die Landesverfassungsrichter Stoppschilder aufgestellt. Besonders empfindlich zeigten sich die Richter, wo aus ihrer Sicht die Meinungsfreiheit berührt ist. So wurde die im Artikel 11 niedergelegte Verpflichtung der Rundfunkanstalten, zur Vermittlung der "Leitkultur" beizutragen, als "Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsferne" aufgehoben.
Hermann: "Staatsregierung nimmt Urteil sehr gelassen auf"
Als Verstoß gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit wertete der BayVerfGH die in Artikel 13 des Gesetzes fixierte Ermächtigung der Sicherheitsbehörden, "bußgeldbewehrte Verpflichtungen" zur Teilnahme an einem Grundkurs über die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung auszusprechen. Die Verfassungsrichter ließen es dem Freistaat auch nicht durchgehen, das in der Kompetenz des Bundes stehende Strafrecht nach eigenem Gutdünken zu erweitern.
Die Reaktionen: "Der Grundgedanke des Integrationsgesetzes ist mit der Verfassung vereinbar", sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Die Verfassungsrichter haben das Konzept der Leitkultur bestätigt." Die Staatsregierung nehme das Urteil sehr gelassen auf, sagte er. Nachbesserungen seien eventuell gar nicht geplant, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) gestern.
Demirel: "CSU-Alleinregierung hat ihre Kompetenzen überschritten"
SPD und Grüne sehen das anders. Eigentlich wäre jetzt ein ganz neuer Anlauf zu einem Gesetz ohne "Gesinnungsschnüffelei" angebracht, meinte SPD-Fraktionschef Horst Arnold.
Die Integrationsexpertin der Grünen, Gülseren Demirel, sagte, die Vielzahl der Kritikpunkte verdeutliche, wie sehr die damalige CSU-Alleinregierung ihre Kompetenzen überschritten habe. Alexander Hold, Integrationssprecher der Freien Wähler, teilt mit, es stehe jetzt fest, dass "gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht".
Laura Pöhler vom #noPAG-Bündis findet, das Gericht hätte noch mehr Passagen einkassieren müssen.
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