Lebensgefahr in der Schlucht: Bayerisches Ausflugsziel wird für immer gesperrt
Pähl - Die einen schwärmen davon als "absolutes Erlebnis für Jung und Alt", doch in den Google-Bewertungen aus den vergangenen Jahren zur Pähler Schlucht häufen sich auch Warnungen, zum Beispiel solche: "Nur für Geübte, nicht für Kinder, Vorsicht bei Nässe, (...), nur mit richtigem Schuhwerk betreten". Trotzdem will ein Nutzer auch schon mal jemanden mit Crocs dort gesehen haben. Ein anderer beschreibt, wie er vor Jahren schon halsbrecherische Alternativen habe suchen müssen, über Baumstämme und durch den Bach – um am Ende zum Wasserfall zu kommen.
Gemeinde zieht Reißleine: Schlucht künftig nicht mehr zugänglich
Die Gemeinde Pähl im Landkreis Weilheim-Schongau zieht jetzt die Reißleine: Die Schlucht soll künftig nicht mehr zugänglich sein. Sie ist zwar in Privatbesitz, wie der Bürgermeister Simon Sörgel der AZ am Donnerstag erklärt. "Die Wege sind aber öffentlich gewidmet. Somit hat die Gemeinde die Verkehrssicherungspflicht."
Bis jetzt. Der Gemeinderat hat mit einer Gegenstimme entschieden, dass die Wege entwidmet werden sollen. Sörgel rechnet damit, dass dieser umfangreiche Prozess bis Herbst oder Ende des Jahres dauern wird. Damit entfällt für die Kommune die Verantwortung für die Wege.
Grundlage für die Entscheidung sind zwei Gutachten, die sich die Gefahren von Hangrutschungen, Felsstürzen und Hochwasser dort genauer angeschaut haben. "Das Risiko, darin waren sich beide Gutachter einig, ist deutlich höher als das alpine Restrisiko – also das Risiko, das man in den Bergen hat."
Hätte die Gemeinde mit baulichen Maßnahmen versucht, die Wege sicherzumachen, hätte man Sörgel zufolge mit einem sieben- bis achtstelligen Betrag rechnen müssen. "So schön die Schlucht ist, das ist nicht leistbar für die Gemeinde", sagt der Bürgermeister.
Seit Jahren darf die Schlucht nicht betreten werden
Fakt ist ohnehin: "Die Schlucht ist seit Jahren gesperrt" – genau eben aufgrund der genannten Risiken. Im Juni 2021 erließ sein Vorgänger eine Allgemeinverfügung, diese ist auch an einer rot-weißen Absperrung angebracht.

Die Sperre gelte weiterhin, wie Sörgel sagt. Dennoch weiß auch er, dass sich nicht alle daran halten: "Leider Gottes gibt es immer wieder Menschen, die dorthin gehen. Ich kann nur dringend davor warnen: Es ist ein erhebliches Risiko."
"Eine Sperrung ist nicht deswegen, um es den Leuten zu vermiesen"
Er wiederholt seine Sorge, gerade auch in Hinblick auf die zurückliegenden Regenfälle: Die Böden könnten aufgeweicht sein, was auch Hangrutschungen und Felsstürze "aktuell noch wahrscheinlicher" mache. "Ich kann – abgesehen davon, dass sie gesperrt ist und nicht betreten werden darf – nur dringend davon abraten und an jeden appellieren, sich über die Risiken Gedanken zu machen."
Er weiß, dass die schöne Natur und der Wasserfall ein beliebtes Ausflugsziel waren. Aber für ihn geht Sicherheit vor. "Eine Sperrung ist nicht deswegen, um es den Leuten zu vermiesen. Sondern es geht darum, dass die Gemeinde ihrer Verantwortung nachkommt, dass niemandem etwas passiert."
"So etwas verursacht enorme Kosten"
Er erinnert sich in der Vergangenheit an Hubschraubereinsätze, weil sich Menschen dort verletzt hätten. "So etwas verursacht enorme Kosten." Im Nachgang könne dann die Frage stehen: Zahlt das die Krankenkasse, wenn man trotz Absperrung das Gebiet betreten hat?

Der Bereitschaftsleiter Markus Kresser von der Bergwacht Weilheim möchte das Gefahrenpotenzial in der Pähler Schlucht auf AZ-Anfrage nicht pauschal einordnen. Das hänge etwa auch von der Witterung oder dem persönlichen Können und dem eigenen Einschätzen von Risiken ab.
Konkrete Zahlen zu Unfällen hat Kresser nicht, er sagt aber, dass während der Corona-Pandemie regionale Ausflugsziele gefragter waren, auch die Pähler Schlucht sei in dieser Zeit mehr frequentiert gewesen und dementsprechend hätte es mehr Einsätze gegeben. Mittlerweile ist es ihm zufolge weniger geworden – auch wegen der kommunizierten Sperre, glaubt er. Als häufigste Ursachen für Einsätze nennt er: "gestolpert, umgeknickt, unzureichendes Schuhwerk".
Der Landkreis Weilheim-Schongau beschreibt die Besonderheit der Pähler Schlucht so: "Er zeigt die erosive Kraft des Burgleitenbachs, der über viele Jahrhunderte einen eindrucksvollen Wasserfall ausgebildet hat. Im Laufe der Zeit höhlte das Wasser das Nagelfluh-Gestein hinter dem Wasserfall immer weiter aus, sodass sich die Schlucht kontinuierlich in die Landschaft grub. Dieser Prozess ist bis heute nicht abgeschlossen." Eine "naturkundliche Besonderheit" stelle zudem "der artenreiche Schluchtwald" entlang des Bachlaufs dar.
Aber auch vonseiten des Landkreises heißt es zu dem Naturschutzgebiet: "Derzeit aufgrund von Lebensgefahr bis auf Weiteres gesperrt".
- Themen:
- Bayern