Bald Entscheidung um Sieber-Klage gegen Produktionsverbot

Hunderte Tonnen Wurstwaren müssen vernichtet werden, weil in Produkten der Firma Sieber gesundheitsgefährdende Bakterien gefunden wurden. Der Inhaber erhebt nun Vorwürfe gegen die Behörden und geht gerichtlich gegen das Produktionsverbot vor.
von  dpa/az
Der Inhaber der Fleischfirma Sieber, Dietmar Schach, äußerte sich am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Für sein Unternehmen gehe es ums Überleben, er arbeite daran, eine Insolvenz zu verhindern.
Der Inhaber der Fleischfirma Sieber, Dietmar Schach, äußerte sich am Dienstag auf einer Pressekonferenz. Für sein Unternehmen gehe es ums Überleben, er arbeite daran, eine Insolvenz zu verhindern. © dpa

München/Geretsried - Im Streit um das behördlich verhängte Produktionsverbot für die Fleischwarenfirma Sieber entscheidet das Gericht möglicherweise noch in dieser Woche. "Es ist eine zeitnahe Entscheidung beabsichtigt", sagte am Mittwoch ein Sprecher des Verwaltungsgerichts München, nannte aber keinen konkreten Zeitpunkt. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) verteidigte unterdessen das staatliche Vorgehen. "Verbraucherschutz geht vor. Da darf man nicht rumfackeln", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch).

Die Fleischwarenfirma Sieber war nach dem Fund gesundheitsgefährdender Bakterien in Wurstwaren gerichtlich gegen das behördlich angeordnete Produktionsverbot vorgegangen. Es sei Klage gegen den Freistaat Bayern eingereicht worden, sagte der Inhaber Dietmar Schach am Dienstag am Firmenstandort in Geretsried (Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen). Der Rückruf sämtlicher Waren und die Werksschließung seien politisch motiviert.

Erster Eilantrag durch Gericht abgelehnt

Bereits am Freitag hatte das Gericht einen Eilantrag abgelehnt. Das Landratsamt in Bad Tölz hatte am Freitag angeordnet, dass sämtliche Sieber-Produkte in ganz Deutschland aus den Ladentheken sowie in Flughäfen und Großkantinen zurückgerufen und vernichtet werden müssen. Das Unternehmen beliefert nach seinen Angaben die Ketten Lidl, Norma, Rewe und Penny, nicht jedoch Aldi. Außerdem verhängte die Behörde ein Betriebs- und Vertriebsverbot für die Großmetzgerei mit 120 Beschäftigten. Zuvor waren in Proben gesundheitsgefährdende Listerien gefunden worden.

Die Münchner Staatsanwaltschaft leitete Vorermittlungen gegen die Firma ein. "Wir prüfen den Sachverhalt", sagte Oberstaatsanwalt Ken Heidenreich am Dienstag.

Der Firmeninhaber wehrt sich

Firmeninhaber Schach äußerte den Verdacht, dass sein Unternehmen durch die staatlich angeordneten Sanktionen dafür missbraucht werde, politisch vorzeigbare Erfolge im Kampf gegen Lebensmittelskandale zu erzielen. Er nannte auf Nachfrage die Versäumnisse bei Bayern-Ei.

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Das bayerische Verbraucherschutzministerium wies die Vorwürfe zurück: "Die zuständigen Behörden handeln konsequent zum Schutz der Verbraucher", erklärte ein Sprecher. "Auch für Betriebe einschneidende Maßnahmen werden zum Schutz der Verbraucher ergriffen, wenn sie rechtlich zulässig und erforderlich sind." Die Behörden hätten die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, betonte der Sprecher und ergänzte: "Der Rückruf wird amtlich überwacht. Außerdem wurden weitere Proben genommen, die noch ausgewertet werden. Die weitere Aufklärung der Lieferwege läuft."

Grenzwerte seien eingehalten worden

Seit Montag wurden nach Schachs Worten auf einer Unternehmens-Hotline an die 1000 Anrufe mit Fragen vor allem zu Gesundheitsgefahren und der Erstattung bereits gekaufter Produkte beantwortet. "Wir setzen alles daran, die Dinge im Interesse aller Kunden umzusetzen", sagte der Firmenchef. Er entschuldigte sich bei seinen Handelspartnern und den Verbrauchern für die Unannehmlichkeiten der Rückrufaktion und die möglichen Ängste, "die sie nach dem Verzehr unserer Waren hatten".

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Er verwies darauf, dass rund 45 im Unternehmen genommene Proben frei von gesundheitsgefährdenden Listerien seien. «Es gibt bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse, wann und wo Keime in unser Unternehmen hineingetragen wurden», sagte Schach. Allerdings wurden vor Ostern in einem Schweinefleisch-Produkt von Sieber im Nürnberger Land Listerien nachgewiesen. Der Grenzwert wurde dabei um das Zehnfache überschritten.

Für das Unternehmen geht es ums Überleben

Bei daraufhin veranlassten verstärkten Proben in Kaufhausregalen waren fünf Produkte mit Listerien belastet. Nach Schachs Worten wurden dabei die behördlich vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten. "Dass auf dieser Tatsachenbasis das gesamte Produktsortiment zurückgerufen werden muss, ist einmalig", kritisierte der Firmenschef. Zur Zukunft seines Unternehmens sagte er: "Ich weiß es nicht." Er arbeite an einem Konzept zur Rettung der Firma. "Es wird lange Zeit brauchen." Schach wollte sich nicht dazu äußern, ob eine Insolvenz abzuwenden sei. Er bezifferte den täglichen Schaden für sein Unternehmen auf 100 000 Euro.

Eine Ansteckung mit Listerien kann bei Kleinkindern und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu starkem Durchfall und Fieber führen. Bei Gesunden verläuft die Listeriose genannte Krankheit meist harmlos.

Nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Erlangen wurden seit 2012 in Deutschland Listeriosen mit einem bestimmten Muster beobachtet. Diesem Ausbruch könnten möglicherweise bis zu 80 Erkrankungsfälle mit dem Schwerpunkt Baden-Württemberg und 22 Fälle in Bayern zugeordnet werden. Acht der erkrankten Personen sind gestorben, bei vier von ihnen wird die Listeriose als hauptsächliche Todesursache angesehen. Ob die Todesfälle auf Sieber-Produkte zurückgehen, ist unklar.

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