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Bärenangriff versetzt Landkreis Rosenheim in Aufregung – erneut Spuren gesichtet

Am Sudelfeld bei Oberaudorf hat ein Bär vier Schafe gerissen – nicht weit von Häusern entfernt. Kurze Zeit später wurden erneut Spuren des Raubtieres entdeckt. So reagieren Naturschützer und Landwirte auf die Vorfälle im Trentino und in Bayern.
von  Heidi Geyer
Der Abdruck im Landkreis Miesbach.
Der Abdruck im Landkreis Miesbach. © LfU

Oberaudorf - "Da versteh' oana die Welt no!", heißt es in einer WhatsApp-Gruppe, in der sich zahlreiche oberbayerische Landwirte zum Thema Wolf zusammengeschlossen haben. Auslöser des Ärgers ist diesmal aber ausnahmsweise nicht der Wolf, sondern der Bär. Nach dem tödlichen Bärenangriff im Trentino liegen auch in Bayern die Nerven blank.

Wie die AZ bereits erfahren hatte, sind im Sudelfeld, das zwischen Oberaudorf und Bayrischzell liegt, vier Schafe gerissen worden – durch einen Bären. Die DNA-Proben werden derzeit untersucht. Am Mittwoch teilte das Landesamt für Umwelt (LfU) mit: "Anhand der Erstdokumentation der äußeren Verletzungen der Tiere und vor Ort aufgefundener Trittsiegel kann dieser Vorfall einem Bären zugeordnet werden."

Erst am Montag gab das Umweltamt bekannt, dass ein Bär in eben der Region nachgewiesen werden konnte.

Erneute Spuren: Nutztierhalter sollen Schutzmaßnahmen ergreifen

Am Freitag (21. April) wurden im Grenzgebiet der Landkreise Rosenheim und Miesbach zu Österreich erneut Trittsiegel eines Bären im Schnee dokumentiert. Das teilte das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) mit. Ob es sich um den Bären handelt,  der am Mittwoch die Schafe gerissen hatte, ist unklar. Landwirte sollen ihre Tiere nachts einstallen und Herdenschutzmaßnahmen ergreifen. Die Behörden können dabei mit Zaunmaterial unterstützen, so das Umweltamt.

Eine Begegnung zwischen Mensch und Bär gab es bisher nicht. Der Bär verhält sich bisher unauffällig. Insbesondere Wanderer und Skitourengeher  werden dringend gebeten, die Verhaltensregeln im Umgang mit Wildtieren zu beachten und bei Aktivitäten in der freien Natur aufmerksam und vorsichtig zu sein.

Bären in Bayern: Aufregung im Landkreis Rosenheim

Die Aufregung bei den Landwirten im Landkreis Rosenheim ist dennoch groß. "Ich habe ein großes Unbehagen und Unverständnis, dass man sich ohne Not so etwas antut", sagt die Rosenheimer Kreisbäuerin Katharina Kern. Sie meint damit die Wiederansiedlung im Trentino, die offensichtlich aus dem Ruder gelaufen ist.

Eigentlich wäre die Weidesaison schon in vollem Gange, sagt Kern im Gespräch mit der AZ. Einzig wegen des schlechten Wetters seien die Landwirte heuer noch nicht so weit. Wie soll das aber in diesem Jahr auf den Almen laufen, wenn ein Bär dann womöglich die Tiere reißt? Eine ähnliche Diskussion führt man derzeit in Garmisch, wo sich ein Wolfspaar angesiedelt hat.

Als "eine schlimme Zäsur", empfindet Stefan Köhler, Umweltpräsident des Bayerischen Bauernverbandes, den Tod des Joggers Andrea Papi im Trentino. Er kritisiert das Wiederansiedlungsprojekt, bei dem man alle Warnzeichen, so auch frühere Angriffe, ignoriert habe – trotz entsprechender Rückmeldungen des Südtiroler Bauernbundes. Im Gespräch mit der AZ hat Köhler kein Verständnis, dass keinerlei Projektmanagement erfolgt sei: "Das ist verantwortungslos, eine Katastrophe!"

Erneute Spuren: Nutztierhalter sollen Schutzmaßnahmen ergreifen

Am 21.04.2023 wurden im Grenzgebiet der Landkreise Rosenheim und Miesbach zu Österreich erneut Trittsiegel eines Bären im Schnee dokumentiert. Eine Individualisierung anhand der Spuren ist nicht möglich. Die Ergebnisse der Proben vom Nutztierriss am 19.04. liegen noch nicht vor. Nutztierhalter sind dazu angehalten, ihre Tiere nachts einzustallen und Herdenschutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Behörden können dabei mit Zaunmaterial unterstützen.

Eine Begegnung zwischen Mensch und Bär gab es bisher nicht. Der Bär verhält sich bisher unauffällig. Insbesondere Wanderer und Skitourengeher  werden dringend gebeten, die Verhaltensregeln im Umgang mit Wildtieren zu beachten und bei Aktivitäten in der freien Natur aufmerksam und vorsichtig zu sein.

Trentino: Zielgröße der Populationen von Bär und Wolf

Schließlich seien die Region Südtirol-Trentino und die gesamten Zentralalpen die am dichtesten besiedelten Bergregionen der Welt. Dazu kommen jährlich Millionen Touristen die sich in der Natur aufhalten, sagt Köhler. Er fordert daher: "Es braucht eine definierte Zielgröße der Populationen von Bär und Wolf!" Der derzeitige Bestand müsse rigoros reguliert werden. Das Schicksal von Gaia, die den Jogger getötet hat, sollte aus seiner Sicht besiegelt werden: "Eine naturschutzrechtliche Entnahme muss umgehend in die Wege geleitet werden."

Überraschenderweise sieht das Richard Mergner, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern, genauso: "Die Entnahme der verantwortlichen Bärin Gaia aus diesem Gebiet ist so weit wir das aus der Ferne beurteilen können richtig und notwendig, um die Gefährdung weiterer Menschenleben auszuschließen."

In der Fachsprache bedeutet "Entnahme" die Tötung. Die AZ fragt also lieber noch einmal nach, ob der Bund Naturschutz tatsächlich die Tötung des Tieres begrüßen würde. Siehe da: "Eine Entnahme kann auch ein Fang sein - was bei Gaia ja inzwischen stattgefunden hat." Weiter: "Ob sie nun auch getötet werden muss, können wir von hier aus nicht beurteilen. Wenn es der einzige machbare Weg ist, um eine weitere Gefährdung von Menschenleben durch Gaia zu verhindern, muss er auch gegangen werden."

Bären-Projekt in Trentino: Sicherheit des Menschen muss oberste Priorität haben

Zwar sei das Bären-Projekt im Trentino grundsätzlich richtig gewesen. "Dass viele Menschen im Trentino, insbesondere die Angehörigen des getöteten Mannes, dies anders sehen ist mehr als verständlich", räumt Mergner im Gespräch mit der AZ ein. Die Sicherheit des Menschen müsse oberste Priorität haben. "Das Urteil über die Frage, ob das durch eine Begrenzung des Bestandes sicher gestellt werden kann, sollten wir den dortigen Bärenexperten überlassen, die den Bärenbestand gut kennen."

Wichtiger als deren Anzahl sei aber grundsätzlich, dass deren Verhalten beobachtet wird. "Das erlaubt, dass Tiere, die aufgrund ihres Verhaltens auf eine mögliche Gefahr hinweisen, schnell entnommen werden können", so Mergner.

Anders als Köhler "begrüßt" Mergner aber "jedes einst ausgerottete Tier, das in Deutschland wieder heimisch wird" und verweist auf den hohen Schutzstatus durch das EU-Recht. Mergner warnt aber vor Populismus. Er kritisiert den Vorschlag von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger im Interview mit der AZ, eine Waffe zu benutzen, wenn ein Bär angreift. Dieser sei gefährlich. "Bären machen oft Scheinangriffe und drehen wenige Meter vor dem Menschen ab." Schüsse könnten die Tiere auch reizen.

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