Bär, Scheuer und Hahn treffen Ron DeSantis: Das Ende kompetenter CSU-Außenpolitik

München - Die Außenpolitik falle nach dem Grundgesetz in die alleinige Kompetenz des Bundes, hatte der frühere bayerische Regierungschef Horst Seehofer (CSU) ab und an bestätigt und hinzugefügt: "Aber noch nie hat sich ein bayerischer Ministerpräsident daran gehalten."
Diese bayerische Nebenaußenpolitik wird seit mehr als sechs Jahrzehnten von der CSU verantwortet, aber ohne demokratischen Kompass, kritisierten die Grünen kürzlich. Doch so einfach ist es nicht, sagt Politik-Professor und CSU-Kenner Heinrich Oberreuter.
Besuch bei DeSantis: "Vom Niveau früherer Vordenker und Experten sind sie unberührt"
An der Visite der CSU-Politiker Dorothee Bär, Andreas Scheuer und Florian Hahn bei Floridas Gouverneur und Rechtsaußen Ron DeSantis lässt Oberreuter kein gutes Haar. Die "DeSantis bejubelnden USA-Reisenden" hätten "instinkt- und kenntnislos" gehandelt, sagt der frühere Direktor der Akademie für Politische Bildung: "Vom Niveau früherer Vordenker und Experten sind sie unberührt."
Die Visite beim ultrakonservativen republikanischen Präsidentschaftskandidaten hatte die bayerischen Grünen veranlasst, ein außenpolitisches Sündenregister der CSU zusammenzustellen. Über lange Zeit habe die CSU mit Kreml-Chef Wladimir Putin angebandelt sowie 2018 mit dem ungarischen Premier und Rechtspopulisten Victor Orbán geflirtet.
"Außenpolitisches Sündenregister" der CSU: Besuche bei Putin, Orbán und Berlusconi
CSU-Vize und Europapolitiker Manfred Weber geriet in Verdacht, Wahlkampfhilfe für die Partei des italienischen Rechtspopulisten Silvio Berlusconi zu leisten, was ihm einen Rüffel von Parteichef Markus Söder eintrug. "Es ist erschreckend, wo sich die CSU ihre politische Inspiration holt", entrüstete sich die Fraktionschefin der Grünen Katharina Schulze.
Man müsse in der Außenpolitik auch mit Regierungschefs im Gespräch bleiben, mit denen man fundamentale politische Differenzen habe, weist der Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Fachausschusses Entwicklungspolitik Wolfgang Stefinger (CSU) die "außenpolitische Ahnungslosigkeit" der Grünen zurück.
CSU rechtfertigt sich: "Dialog verweigern, bringt keinen Schritt weiter
Das gelte vor allem für demokratisch gewählte Regierungschefs von EU-Mitgliedsstaaten, spielt er auf Orbán und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni an: "Wer da den Dialog verweigert und Fundamental-Opposition betreibt, kann sich über seine moralisch blütenweiße Weste freuen, aber realpolitisch bringt uns das keinen Schritt weiter."
Die "Putin-Ergebenheit und die Unterwerfung unter dessen Energiedominanz" sei in Berlin und dort nicht zuletzt von Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) "programmiert" worden, erinnert Oberreuter. Tatsächlich reisten die CSU-Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Horst Seehofer und zuletzt auch Markus Söder wiederholt zu Putin nach Moskau.
"Wir setzen uns für einen Fahrplan zur Rückführung der Russland-Sanktionen ein", heißt es im CSU-Programm
Zuletzt empfing der Kreml-Chef den bayerischen Regierungschef Söder im Januar 2020 zu einem Gespräch, als der Gastgeber schon mehrere Kriege angezettelt hatte und politische Morde in Auftrag gegeben haben soll. Söder hielt sich an einen Parteivorstandsbeschluss von 2016, in dem es ein Jahr nach der Besatzung der Krim hieß: "Wir setzen uns für einen Fahrplan zur Rückführung der Russland-Sanktionen (...) ein."
Mit ihrem "Anbandeln" an Putin habe die CSU Deutschland jahrelang von russischem Öl und Gas abhängig gemacht, kritisieren die Grünen. Sich darüber zu mokieren, stehe ihnen nicht zu, meint CSU-Außenpolitiker Stefinger. Wenn ein grüner Bundeswirtschaftsminister vor dem Emir von Katar "einen Hofknicks" mache, stelle sich "eher die Frage nach der Selbstachtung und dem außenpolitischen Kompass".
"Geradezu weitsichtig": Stoibers Widerstand gegen Details der Euro-Einführung
Obwohl sie nie einen Außenminister stellte, habe doch die CSU außenpolitisch früher keineswegs Murks abgeliefert, betont Politikwissenschaftler Oberreuter. So sei die Aufnahme der Verbindung von Franz Josef Strauß zu Michail Gorbatschow geradezu "von historischer Bedeutung" gewesen. Strauß' viel kritisierte Einfädelung eines Milliardenkredits für die DDR hätte das System nicht stabilisiert, sondern dem Sozialismus seine ökonomischen Grenzen aufgezeigt. Der Widerspruch von Stoiber gegen Details der Euro-Einführung habe sich angesichts späterer Krisen "geradezu als weitsichtig" erwiesen.
Oberreuter lobt den Ex-Ministerpräsident Seehofer, weil dieser die Sudetenfrage im Verhältnis zu Tschechien "beiseite geräumt" habe. Die Bewunderung, die Seehofer zeitweise für den damaligen US-Präsidenten Donald Trump zum Ausdruck brachte, bleibe freilich "unverzeihlich".
Politik-Professor: "Die außenpolitische Kompetenz der CSU hat sich nicht erhalten lassen"
Manfred Weber Vorwürfe wegen seiner Gespräche mit der neuen rechten Italien-Regierung zu machen, hält Oberreuter für verfehlt. Man sollte den EVP-Vorsitzenden nach seiner Einstellung zur Demokratie und nicht nach seinen "funktional nötigen Kontakten zu bestimmten Figuren" einschätzen. Aber diese Forderung sei vielleicht schon zu hoch gegriffen - "insbesondere bei Politikern, deren intellektuelle Perspektiven über die Grenzen ihrer Provinz nicht hinaus reichen."
"Jahrzehntelang", so der Politik-Professor, habe die CSU in Gestalt ihrer Ministerpräsidenten "ausgeprägte außenpolitische Kompetenz" besessen. Aber: "Diese hat sich dann nicht erhalten lassen."