Bär in Bayern? Wildtierforscherin rät: "Nur, weil er da ist, muss er nicht abgeschossen werden"

München - Mit Interesse und Besorgnis wird der gelegentliche Grenzübertritt von Braunbären Richtung Oberbayern verfolgt. Er weckt Erinnerungen an Braunbär Bruno, der 2006 Schlagzeilen machte und in den bayerischen Alpen erschossen wurde. Droht jetzt eine Wiederauflage der tragischen Geschichte von 2006? Kommt womöglich sogar mehr als nur ein "Bruno"?
Mit einem herzlichen Willkommensgruß, wie er vor 17 Jahren Bruno vom damaligen Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) nichtsahnend entgegengebracht wurde, können seine Artgenossen jetzt jedenfalls nicht mehr rechnen.
Bayerische Staatsregierung will mit Gesetz gegen Wolf vorgehen
Große Beutegreifer wie Wölfe und Bären passten einfach nicht in die bäuerliche Kulturlandschaft, heißt es von der bayerischen Staatsregierung. CSU und Freie Wähler haben sich erstmal den Wolf vorgeknöpft und mit einer juristisch umstrittenen Verordnung dessen "Entnahme" erleichtert.
Die Wildtierforscherin und Buchautorin Michaela Skuban, die 16 Jahre lang Braunbären im Bärenland Slowakei auf der Spur war, rät zur Besonnenheit: "Nur weil ein Bär da ist, muss er nicht abgeschossen werden."
Skuban warnte bei einem Pressegespräch des Bund Naturschutz am Freitag in München aber auch vor einem Kuschelkurs mit Meister Petz. Tiere, die sich dem Menschen und seinen Siedlungen zu sehr nähern, seien nicht zu tolerieren.
Damit meint die promovierte Expertin der "Stiftung für Bären" durchaus den Abschuss. "unauffälligen Tieren" sollte es aber möglich gemacht werden, "mit uns zusammenzuleben".
Immer mehr Hobbyfotografen wollen den Bären sehen
Wie bei anderen Arten gebe es auch beim Bären sehr unterschiedliche Charaktere, berichtete Skuban aus ihrer 16-jährigen Forschung in der Slowakei, wo an die 2.000 frei lebende Tiere vermutet werden.
Auch dort nehmen die Konflikte zwischen Bär und Mensch zu, weil letzterer immer mehr die Natur aufsucht. Die Zahl der Hobbyfotografen, die unbedingt einen Braunbären ablichten wollten, sei inzwischen so groß, dass man schon einen – freilich erfolglosen – Anlauf zum gesetzlichen Verbot dieser Aktivitäten unternommen habe.
Expertin rät zu Abstand zu Bär und Wolf
Skuban warnte vor jeder noch so gut gemeinten Annäherung an die Wildtiere. Anlocken, Anfüttern oder gar Streicheln müssten strikt tabu sein. Es komme vor allem darauf an, den Tieren ihre Scheu vor dem Menschen nicht zu nehmen.
Den Schutz von Herdentieren vor Bären hält Skuban für machbar. Ohnehin seien Schafe und Ziegen weitaus mehr durch Wölfe gefährdet.
Wer ganz sicher gehen will, nimmt Pfefferspray mit in den Wald
Im slowakischen Bärenwald sollte man nicht bei Morgen- und Abenddämmerung und Nebel allein unterwegs sein und schon gar nicht querfeldein. Skuban rät zu einem gar nicht so geschätzten Verhalten im Bärenwald: Wer vor sich hinredet, warnt Meister Petz frühzeitig vor seiner Anwesenheit, so dass unerwünschte Begegnungen der unheimlichen Art erst gar nicht vorkommen.
Kommt es zum Äußersten, rät die Bär-Expertin zum Hinlegen mit dem Bauch auf den Boden. Wer besonders umsichtig sein will, kann auch Pfefferspray mit sich führen. Das allerdings wirke nur, wenn der Bär schon ganz nahe ist.
Bären und Wölfe in Bayern: Gefahr ist durchaus gegeben
Dass die Gefahr im Bärenwald nicht ganz bei null liegt, zeigt ein aktueller Fall aus der Slowakei, wo ein Förster und ein Jäger von einem verwundeten Braunbären angegriffen und verletzt wurden. Für Schlagzeilen gesorgt hatte der Tod eines Joggers im norditalienischen Trentino durch eine Braunbärin. Deren Abschuss hatte ein örtliches Gericht untersagt, woraufhin das Tier eingefangen wurde. Für die Bärin sei das weitaus schlimmer als der Tod, meint Expertin Skuban. Wildtiere einzusperren sei "das Schlimmste, was wir machen können".
Der Experte des Bund Naturschutz für große Beutegreifer, Uwe Friedel, wunderte sich über das Vorgehen der italienischen Behörden, weil die Bärin schon vor drei Jahren auffällig geworden sei: "Ich verstehe auch nicht, warum sie nicht geschossen wurde." Auch der bayerische BN-Vorsitzende Richard Mergner hatte kürzlich mit Blick auf den Wolf betont, die Naturschützer seien nicht grundsätzlich gegen die Entnahme von Tieren: "Der BN schützt nicht Einzeltiere, sondern Lebensgrundlagen und Öko-Systeme."