Baby-Rufe mit Zornesfalten

Gitarrist Gary Moore weinte in der Rother Kulturfabrik beim Blues Reißnägel. 30 Jahre macht er nun bereits Musik und ist trotzdem kein bisschen leise. Da stockt der Atem im ausverkauften Saal.
von  Abendzeitung
Verzerrte Gitarre, verzerrtes Gesicht: Gary Moore in Roth.
Verzerrte Gitarre, verzerrtes Gesicht: Gary Moore in Roth. © NBGPC

Gitarrist Gary Moore weinte in der Rother Kulturfabrik beim Blues Reißnägel. 30 Jahre macht er nun bereits Musik und ist trotzdem kein bisschen leise. Da stockt der Atem im ausverkauften Saal.

Der Typ hat immer noch den Blues und weint dabei Reißnägel. So eine Jugend in Belfast und im Hardrock hinterlassen eben bleibende Spuren. Seit 30 Jahren wirft sich der Gitarrist Gary Moore als Solist in die Beziehungskämpfe mit dem unbotmäßigen „Baby“ zuhause und lässt die Songs heute verstärkt Zornesfalten werfen. Zärtlichkeit unter Männern – gut gebrüllt ist halb gewonnen. Selbst sein Klassiker „Still got the blues“, den er als dramaturgisches I-Tüpferl ans Konzertfinale in der ausverkauften Rother Kulturfabrik setzt, kehrt die rauhe Schale im aktuellen Schwergewichtskonzept hervor.

Dem Nürnberger Blitzbesusuch von Chuck Berry sendet Gary Moore eine „Maybellene“ hinterher, die ganz schön mit den Ohren schlackert, die evergreene „Pretty Woman“ von A.C. Williams wird entschlossen angebellt, Blues-Gangster Johny Guitar Watson werden elastische Beine gemacht und bei Donny Hathaways „I love You more than You’ll ever know“ brechen sogar warme und innige Gefühlsstrahlen durch. Interpretationen und Improvisationen nehmen einen breiten Raum ein, nur konsequent für einen, der aus der Vergangenheit Zukunftsmusik schöpfen will. Moore ist – im Stütz-Korsett eines Wucht-Trios – ein Routinier des begnadeten Kunstgriffes. Sein Instrument rattert als pfeifende Dampflok über Country-Schwellen, schluchzt, grunzt, wimmert und wütet. Die Sorge, dass der Gitarren-Fundus – Wechsel nach jedem Song – nicht langen könnte, ist unbegründet. Das Gesicht bleibt zuverlässig genauso verzerrt wie die Gitarre – nicht nur beim virtuos verschränkten Solo-Lauf, der lauter als lässiger gerät. Da stockt der Atem im schweißnassen Saal passend zur Luft.

Bestätigungszuckerl werden gestreut. Das Publikum singt zu „Walking by myself“ brav den Liebesschwur und erfährt ganz zum Schluss, dass der Blues „alright“ is. Typischer Fall von „Passd scho“ eben. Der Moore hat seine Schuldigkeit getan, er geht.

Andreas Radlmaier

Gary Moore tritt nochmals am 10. Juli im Nürnberger Löwensaal auf.

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