AZ-Kommentar zu Söders Plänen für Mundart-Unterricht: Wer, was, wann, wie?

Längst ist der Dialekt vom Dorfdeppen-Image befreit, nachdem man ihn zuvor Jahrzehnte lang wie einen Provinzteufel den Grundschülern ausgetrieben hatte. Jetzt, in Umbruchzeiten aus Globalisierung, Digitalisierung und Migration, klingt die Forderung nach Dialekt an die Schulen wie ein kultureller Rettungsanker: Dialekt als Stifter von Heimat und Zugehörigkeit! So weit, so populär. Aber es gibt die sogenannten journalistischen "Ws": Wer, was, wann, wo, wie? Sie muss man beantworten können, damit ein Artikel seriös und informativ wird. Das gilt auch für politische Vorschläge.
Wenn man also – mit oder ohne Sympathie – über Dialekt im Schulunterricht nachdenkt, fällt einem auf: Es ist eine dumme Idee, weil nicht eine Frage dazu beantwortet werden kann: Wer soll bitte welchen Dialekt an Schüler welchen Alters in welchen Fächern womit unterrichten? Dialekt, so weit er überhaupt noch gesprochen wird, verändert sich von Dorf zu Dorf. Welcher gilt dann in einer Schule? Dialekt ist Mundart und keine Schriftsprache, also in kein Schulbuch zu pressen.
Und die Lehrerinnen und Lehrer kommen aus den verschiedenen Landesteilen und können selbst oft keine Mundart: Wer soll und kann da überhaupt Dialekt unterrichten? "Bayerisch denken heißt größer denken!", soll Söder gesagt haben. Der Münchner Kulturreferent hat daraufhin gesagt, er wäre schon froh, wenn überhaupt mal gedacht würde. Dem ist auch bei Söders Dialektvorschlag nichts hinzuzufügen.