Aussteiger Hans Schuhbauer gibt Tipps für ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben ohne Arbeit
Im Alter von 30 Jahren hat Hans Schuhbauer aus dem niederbayerischen Bogen einen Entschluss gefasst: Wenn er 40 ist, hört er auf zu arbeiten. Eine kühne Entscheidung, die vielleicht schon manch anderer in bierseliger Laune getroffen, am anderen Tag aber wieder verworfen hat.
Nicht aber Hans Schuhbauer – er hat es durchgezogen. Der Fliesenleger arbeitete immer hart, lebte sparsam und versucht bis heute, dem Leben so viele Glücksmomente wie nur möglich abzuringen. Vor seinem Gartenhäuschen in Bogen erzählt der heute 60-Jährige von seinem ungewöhnlichen Lebensweg.
Der 60-Jährige aus der Stadt Bogen ist vor 20 Jahren aus dem Arbeitsleben ausgestiegen. Wie das geklappt hat, erzählt er in seinem Buch "Einstiegshilfen für Aussteiger" (balexa-verlag.de).
AZ: Herr Schuhbauer, Sie müssen seit 20 Jahren nicht mehr aufstehen, um in die Arbeit zu gehen. Wie sieht Ihr Tag aus?
Hans Schuhbauer: Ich schaue eigentlich jeden Tag neu, wozu ich gerade Lust habe. Manchmal muss ich einfach in den Bayerischen Wald reinfahren, wandern und im Freien übernachten, wenn mir das Leben in der Siedlung zu eng wird. Momentan schlafe ich auch nicht in meinem Haus, sondern im Gartenhäuschen daneben.
Warum?
Ich mag es, wenn ich das Prasseln des Regens auf dem Dach höre, außerdem habe ich da ein Fenster, durch das ich den Sternenhimmel sehe. Nach dem Aufstehen pflücke ich Tee, gieße die Blumen und fülle das Wasserbecken für die Vögel.
Wieso haben Sie sich fürs Aussteigen entschieden?
Mit ungefähr 30 Jahren habe ich einfach gemerkt: Die Zeit läuft mir davon. Auf meiner Liste der Dinge, die ich noch machen wollte, standen so viele Punkte – darunter auch anstrengende Unternehmungen, die man in jungen Jahren machen muss. Ich habe bei meinem Entschluss auch an meine Großväter gedacht, die beide schon mit 40 Jahren gestorben sind. Mir wurde klar: Du weißt ja gar nicht, wie alt du wirst – du musst deine Sachen bald machen. Und: Gestört hat mich auch, dass ich mich als Bauarbeiter nicht sehr geachtet gefühlt habe.
Was war damals Ihr Schlüsselmoment?
Das war eine ärztliche Untersuchung mit etwa 30 Jahren. Als meine Knie knirschten, sagte der Doktor, das sei in meinem Beruf normal. Da habe ich zu mir gesagt: So lange, bis ich auf Krücken gehe, will ich nicht arbeiten.
Gibt es Kardinalfehler beim Aussteigen?
Anfangs passiert es schon, dass man länger im Bett liegenbleibt. Dann merkt man: Das tut mir gar nicht gut. Man braucht auf jeden Fall viel Selbstdisziplin, wenn man nicht mehr in die Arbeit geht. Nur Rumsandeln und ab und zu eine Halbe Bier trinken – das ist nicht der Sinn der Sache.
Was dann?
Ich hatte vor dem Aussteigen viele Pläne im Kopf – ob es das Malen ist, das Kanufahren oder eine längere Radltour. Die galt es umzusetzen. Die viele Zeit, die man plötzlich hat, kann man natürlich auch für andere Menschen verwenden. In der Nachbarschaft etwa wohnt eine ältere Frau, die freut sich sehr, wenn man zum Ratschen vorbeikommt. Trotzdem braucht man Geld, wenn man sich mit 40 zur Ruhe setzen will.
Wie schaffen Sie das finanziell? Mein Plan war, im Ausland zu arbeiten, weil man da gut verdient. Das habe ich dann auch gemacht – was nicht immer ungefährlich war. Im Irak habe ich zum Beispiel im Geheimdienst gefliest, während draußen Bomben runtergingen. Auf Baustellen in Afrika hatte ich mehrmals Malaria. Von dem hart verdienten Geld kaufte ich mir daheim zunächst ein Apartment, später kamen noch zwei weitere dazu, die ich vermiete. Während Sie Ihre Wohnung vermietet haben, lebten Sie selbst zeitweise in einem Tipi.
Was ist daran so beeindruckend?
Das hat viele Gründe. Das Feuer drinnen ist fantastisch. Man wird total ruhig. Außerdem lebt man naturnah. Es tut einfach so gut, an der frischen Luft zu sein, den Bach plätschern zu hören, Kanu zu fahren. Und es ist billig. In der Natur kannst du gar kein Geld ausgeben, weil kein Laden da ist.
In Ihrem Buch schreiben Sie davon, dass man auch im Kleinen aussteigen kann und empfehlen das Führen von Listen – wozu ist das gut?
Es hilft, das mal Schwarz auf Weiß zu sehen: Was will ich in meinem Leben noch alles machen? Dann kannst du schauen, was du als junger Mensch machen musst und was noch warten kann.
Sie schreiben auch von Zeitfressern. Was sind für Sie dabei die größten?
Grundsätzlich gilt: Alles, was du dir zulegst, braucht einen Service und kostet dich Zeit. Alle Geräte müssen abgestaubt werden, du musst sie putzen, Batterien kaufen, zum Richten bringen, das Auto braucht einen TÜV – nur um den Maschinenpark am Laufen zu halten, geht so viel Zeit drauf. Für mich zählt das alles nicht zum Leben, diese ewigen technischen Erledigungen. Das Problem ist, wenn du drin bist in der Tretmühle, fallen dir die Zeitfresser nicht mehr auf. Wenn du aber über Wochen nur mit einem Rucksack unterwegs bist, in dem alles drin ist, was du brauchst, hast du plötzlich sehr viel mehr Zeit.
Sie sind jetzt 60 Jahre alt. Denken Sie auch daran, wo Sie im hohen Alter einmal leben werden?
Das ist der Vorteil an meinen Apartmentwohnungen. Wenn ich will, kann ich mir aussuchen, in welcher davon ich leben will. Vorher habe ich aber noch andere Pläne. So träume ich schon lange davon, mit dem Kanu die Donau runterzufahren. Das kann ein Jahr dauern oder auch zwei – einfach mal sehen, wo ich hängenbleibe.
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