"Ausnüchterungs-Rosa" für die Zelle: Das sagt die Polizei in Bayern dazu

Gegen Randale im Revier gibt es eine potenzielle Wunderwaffe: Wände in Barbie-Pink sollen Insassen beruhigen. Bayerns Polizei zeigt sich offen.
von  Maximilian Neumair
Der Farbton "Ausnüchterungs-Rosa" hat angeblich eine beruhigende Wirkung – zumindest kurzfristig.
Der Farbton "Ausnüchterungs-Rosa" hat angeblich eine beruhigende Wirkung – zumindest kurzfristig. © Andreas Hummel/dpa

Zwickau/München - Was auf den ersten Blick wie ein begehbarer Kleiderschrank von Barbie oder ein Zimmer des Rosaroten Panthers wirkt, ist in Wahrheit ein Ort kurzzeitiger Gefangenschaft: eine Gewahrsamszelle der Polizei Zwickau in Sachsen.

Wer Ärger macht oder gar randaliert, soll hier wieder seine innere Mitte finden. Auf Nachfrage der AZ begründet die Zwickauer Polizei die Auswahl der Farbe folgendermaßen: "Sie kann kurzfristig eine deeskalierende Wirkung auf Personen haben, kann entspannend und besänftigend wirken sowie Blutdruck, Herzfrequenz und Aggressionspotenzial reduzieren und zu einer erhöhten Kooperationsbereitschaft führen", sagt ein Sprecher.

Pink in der Ausnüchterungszelle: Effekt nicht von langer Dauer

Als Grundlage zieht die Polizei eine wissenschaftliche Untersuchung heran, die die beruhigende Wirkung von "Baker-Miller-Rosa", oder auch "Ausnüchterungs-Rosa", feststellt. Eine Studie in Pink, würde die Sherlock-Holmes-Interpretation von BBC wohl sagen.

Dirk Lichtenberger, Präsident der Polizeidirektion Zwickau, steht vor der neuen rosa Gewahrsamszelle der Dienststelle.
Dirk Lichtenberger, Präsident der Polizeidirektion Zwickau, steht vor der neuen rosa Gewahrsamszelle der Dienststelle. © Andreas Hummel/dpa

Farbforscher Alex Buether vom Institut für Farbpsychologie an der Bergischen Universität Wuppertal erläutert der AZ, dass Rosa tatsächlich bereits nach wenigen Minuten einen Beruhigungseffekt habe, der allerdings nicht von Dauer sei.

"In diesem Sinne ist die rosa Gewahrsamszelle der Polizei Zwickau sinnvoll, wenn sie wirklich nur kurzzeitig für den Aufenthalt von Menschen genutzt wird."

Das Rosa in der Ausnüchterungszelle soll die Gemüter beruhigen

Rosa Hafträume sind nichts Neues. Schon in den 70er Jahren gab es in den amerikanischen Justizvollzugsanstalten die ersten Tests. Und vor zehn Jahren hat sich auch Nordrhein-Westfalen an rosa Gefängniszellen versucht. Das "Ausnüchterungs-Rosa" hat dort aber nicht zu weniger Gewaltausbrüchen geführt.

Die Polizei in Sachsen entmutigt dieser gescheiterte Versuch nicht: "Im Unterschied zu Justizvollzugsanstalten, wo Gefangene längerfristig untergebracht sind, ist die Verwahrzelle in der Polizeidirektion Zwickau lediglich für kurzfristige Unterbringungen gedacht", heißt es. Die Hoffnung: Wer Ärger macht, kühlt sich beim Anblick des hübschen Rosas ab. Und doch erwartet sich die Polizei keine Wunderwirkung durch die Farbe der Wände.

Pinke Zellen auch in Bayern? Polizeipräsidien reagieren verhalten

Ist so eine rosa Zelle auch im weiß-blauen Bayern denkbar? Auf Nachfrage der AZ verneinen das Innenministerium und der Großteil der bayerischen Polizeipräsidien die Existenz von oder Pläne für pinke Gewahrsamszellen. Klar, Rosa ist nicht die gängige Farbe der Polizei. Die mag es eben etwas diskreter: So teilt die Polizei Niederbayern mit, dass die Zellen in einem "dezenten, neutralen Farbton" gehalten sind, die eine "beruhigende Wirkung" entfalten sollen.

Auch das Polizeipräsidium Oberbayern Süd hat seine Wände in "dezenten, neutralen Weiß-, Beige- oder Grautönen" gestrichen. Bislang spielt die Auswahl der Farben im Hinblick auf deren psychologische Wirkung noch keine Rolle in der Gestaltung der Zellen. Wenn es empirische Belege für einen "nennenswerten positiven Einfluss des Verhaltens Inhaftierter" aufgrund dessen gibt, verschließt sich die Polizei Oberbayern laut eigener Aussage einer bunten Umgestaltung aber nicht.

Zellen in Bayern sind "deeskalierend und farblich beruhigend" gestaltet

In den bayerischen Justizvollzugsanstalten spielt die Wirkung von Farben auf die Psyche schon längst eine Rolle. "So werden bei Hafträumen und deren Ausstattung regelmäßig helle und warme Farbtöne bevorzugt, um bei aller Zweckmäßigkeit eine wohnliche Atmosphäre zu schaffen.

Vorwiegend kommen hierbei Weißtöne zum Einsatz", sagt eine Sprecherin des Justizministeriums. Vor allem in den "besonders gesicherten Hafträumen" wird "ein besonderes Augenmerk auf eine deeskalierende und farblich beruhigende Gestaltung gelegt".

Farben als "Geste der Wertschätzung" für die Insassen

Diesen positiven Effekt unterstreicht auch Farbforscher Buether: "Unsere These ist, dass Gefangene eine wertschätzende Atmosphäre genauso wahrnehmen wie alle anderen Menschen und sich dementsprechend ruhiger und vorsichtiger verhalten. Erfahrungen mit Orten, die stark von Vandalismus betroffen sind, wie Autobahntoiletten oder soziale Brennpunktsiedlungen, bestätigen diesen Effekt." Für eine Wohlfühlatmosphäre würden sich "erdige Farbtöne" wie Sand-, Lehm- und Holztöne, Ockertöne sowie abgetönte Buntfarben wie Taubenblau oder Salbeigrün anbieten.

Neben dem kurzfristig beruhigenden Effekt könne eine besonders farbliche Gestaltung von Räumen eine Geste der Wertschätzung vermitteln, so der Forscher. "Farben sind das günstigste und wirksamste Gestaltungsmittel der Architektur", heißt es weiter. Graue und weiße Gefängnisse würden hingegen eher als Bestrafung durch Entbehrung und Monotonie verstanden. Dann doch lieber Rosa.

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