Ausgrabungen sorgen für Ärger am Kochelsee
Schlehdorf - Als Kulturbanause will Stefan Jocher keinesfalls dastehen. Aber trotzdem sagt er zur AZ: "Sie haben ja keine aufregenden Sachen gefunden, bloß paar oide Stoana und Münzen".
Es geht um das Pflege- und Seniorenheim seiner Gemeinde im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, genauer um dessen Baustelle und die archäologischen Untersuchungen dort. "Sie", das sind die Forscher, die dort seit Monaten graben. Und damit den Bauzeitplan enorm verzögern. Bürgermeister Jocher will das Heim für 54 Bewohner endlich neu bauen. Die alte Einrichtung war über 40 Jahre in Betrieb, in den 70ern schon ein Altbau. "Wegen des neuen Pflegegesetzes brauchen wir größere Zimmer und Bäder", erklärt er.
Kosten von rund 315.000 Euro
Ende Juni sollte der Neubau bezugsfertig sein. Doch daraus wird nichts: wegen der archäologischen Grabungen. Im Juni soll jetzt immerhin die Baugrube ausgehoben werden. Wenn Jocher vom neuen Einzugsdatum spricht, sagt er jetzt "Ende 2018 – hoffentlich". Genauso ärgerlich wie diese Verlangsamung ist der Preis dafür: Kosten von rund 315.000 Euro fallen an, "205.000 haben wir den Archäologen schon bezahlt". Denn tragen muss diese Mehrausgaben der Grundstückseigentümer, also der Zweckverband Seniorenwohn- und Pflegeheim Schlehdorf, dessen Vorsitzender Stefan Jocher ist.
Rechtens, aber richtig?
Nach seiner Aussage ist das nur in Bayern so geregelt. Bis zu 15 Prozent der Baukosten sind für die Bodendenkmalpflege zumutbar – es ist also rechtens, "aber ob es richtig ist, ist die Frage". Deswegen wendet er sich mit diesem "äußerst ärgerlichen Thema" in einem Brief an Kultusminister Ludwig Spaenle. "Ist es dem Freistaat Bayern wirklich nicht zuzumuten, die Kosten für die Erkundung seiner reichhaltigen Geschichte selbst zu tragen?", fragt er den Minister.
Es könne schließlich auch ein kleiner Häuslebauer betroffen sein, führt er an. Er erzählt von einem Fall aus Münsing. Dort wurden auf einem Grundstück Hügelgräber gefunden. Der Privatmann musste die Grabungen bezahlen – mit einer fünfstelligen Summe.
Der Gemeinde-Chef wartet noch auf eine Antwort
"Deswegen will ich das aufrollen", sagt Jocher. Viel Hoffnung, dass er Unterstützung vom Freistaat bekommt, hat er aber nicht. Bisher kam keine Antwort auf sein Schreiben.
Und was geschieht mit den "Stoana" und den Münzen, die immerhin belegen, dass das erste Kloster des Ortes (urkundlich erwähnt 763 n. Chr.) in der Nähe gestanden haben muss? "Schauen wir mal", sagt Jocher und lacht. Vielleicht werden sie im neuen Heim ausgestellt – wenn es fertig ist.
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