Aus für Quelle: "Die Geier kreisen schon"
NÜRNBERG - Die Suche nach einem Käufer ist endgültig gescheitert, die Abwicklung macht Tausende arbeitslos. Insolvenzverwalter und Banken schieben sich die Schuld zu.
Das Aus für Quelle ist besiegelt – rund 9.000 Arbeitnehmer stehen vor der Arbeitslosigkeit. Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg erklärte, die Suche nach einem Käufer für das traditionsreiche Versandhaus sei endgültig gescheitert, weil die Kunden weggeblieben und die Banken abgesprungen seien. Jetzt gebe es „keine Alternative zur Abwicklung von Quelle Deutschland mehr“, sagte er in der Nacht zum Dienstag. Arbeitnehmervertreter und Banken zeigten sich völlig überrascht und kritisierten Görgs Entscheidung.
Die Finanzierung sei bis Ende des Jahres gesichert gewesen. Damit hätte es ausreichend Zeit gegeben, einen Käufer zu finden und ein unternehmerisches Konzept für Quelle zu entwickeln, hieß es aus Bankenkreisen. „Das ist eine Katastrophe von A bis Z“, sagte ver.di-Bundessekretär Johann Rösch der Nachrichtenagentur AP. Mit der Abwicklung gingen fast alle der vormals 10.500 Arbeitsplätze verloren. Rund 3.900 Mitarbeitern sei bereits gekündigt worden. Görg spreche bislang von 1.500 weiteren Betroffenen. Aber „das ist aus meiner Sicht noch nicht alles“, sagte der Gewerkschafter. In den fünf Quelle-Call-Centern arbeiteten arbeiteten noch über 3.000, bei Primondo-Logistik in Leipzig 800 und bei der Logistik in Nürnberg 450 Mitarbeiter. „Wir befürchten, dass diese Arbeitsplätze bei einer Liquidation auch betroffen sind“, sagte Rösch.
Der Mutterkonzern Arcandor mit den Töchtern Karstadt und Quelle hatte im Juni Insolvenzantrag gestellt. Seither war die Versandhandelsparte Primondo samt Quelle mit Hilfe eines 50-Millionen-Euro-Kredits von Bund, Bayern und Sachsen über Wasser gehalten worden. Vier Investoren hatten über den Kauf der gesamten Primondo-Gruppe verhandelt, hätten aber kein verbindliches Angebot vorgelegt. „Eine wesentliche Ursache war, dass die für eine Übernahme des Versandhändlers notwendige Einigung über das Factoring ab dem 1. Januar 2010 nicht erzielt werden konnte“, sagte der Insolvenzverwalter.
Bank-Sprecherin: „Damit haben wir nicht gerechnet“
Bislang übernahmen die Valovis-Bank, die Commerzbank und die BayernLB die Forderungen von Quelle gegenüber Kunden und zahlten dem Versandhaus den Großteil des Geldes sofort aus. Aber der Versandhandel „funktioniert ohne solide finanzierte Ratenzahlungssysteme nicht“, sagte Görgs Mitarbeiter Jörg Nerlich. Die Bieter hätten den Primondo-Verbund nur mit gesichertem Factoring übernehmen wollen. Valovis erklärte dagegen, sie hätte das Factoring auch im nächsten Jahr weitergeführt, und zeigte sich vom Aus für Quelle überrascht. „Damit haben wir nicht gerechnet“, sagte eine Sprecherin der AP. „Wir haben nie irgendwelche Gespräche mit möglichen Investoren geführt“, betonte sie. Der Bank sei nicht einmal bekannt gewesen, wer die Bieter gewesen seien.
Auch ver.di-Bundessekretär Rösch bezweifelte, dass das Factoring Grund für das Aus war. „Ich bin schon etwas erstaunt darüber, dass das jetzt der Grund für die Investoren gewesen sein soll, abzuspringen“, sagte er. Vielleicht sei Görg von seiner Strategie eines Verkaufs der gesamten Primondo-Gruppe abgerückt und habe sich für eine Liquidation von Quelle entschieden, um die Filetstücke wie Baby Walz oder Hess natur besser verkaufen zu können. „Die Geier kreisen da schon“, sagte Rösch.
Umsatz halbiert
Die Kunden, die Quelle bis August noch die Stange gehalten hatten, waren zuletzt abgewandert. Nach dem verspäteten Erscheinen des Winterlatalogs sei es zu „massiven Umsatzeinbrüche bis zu 50 Prozent“ gekommen, sagte der mittelfränkische SPD-Landtagsabgeordneten Thomas Beyer. Görg sagte, die andauernde öffentliche Debatte über das Factoring habe die Kundschaft verunsichert. Nach Plänen des Insolvenzverwalters sollen Baby-Walz und die anderen Spezialversender der Primondo-Gruppe ihr Geschäft selbstständig weiterführen. Der Verkaufssender HSE24 und das gesunde Auslandsgeschäft von Quelle solle schnell verkauft werden