Aus dem Hausrat Deutschlands

Mit der Sonderschau „case study 08“ zieht das Design nah am Geschmack von Volk und Industriepraxis wieder im Neuen Museum ein
von  Abendzeitung
Hocker und Garderoben zum Falten, Regale und Tische zum Montieren: Blick auf die Kiste mit dem Stichwort „Funktion“.
Hocker und Garderoben zum Falten, Regale und Tische zum Montieren: Blick auf die Kiste mit dem Stichwort „Funktion“. © Berny Meyer

Nürnberg - Mit der Sonderschau „case study 08“ zieht das Design nah am Geschmack von Volk und Industriepraxis wieder im Neuen Museum ein

Der ganz normale Nachbar, der mit Hingabe und Hochglanzabsichten seinen Gartenweg abzukärchern pflegt, denkt wohl nicht im Traum daran, dass sein gelb-schwarzer Hochdruckreiniger museumsreif ist. Ist aber so. Mit 153 anderen Objekten steht das Serienprodukt in einer der fünf Kolossal-Kisten, die Schatztruhe und Wundertüte in einem sind. Und zwischen Gardena-Spritze und Playmobil-Hafen mühelos belegen, dass der deutsche Alltag ohne Gestaltung längst keinen Halt mehr hat.

So nah am Geschmack von Volk und Industriepraxis war das Neue Museum andererseits auch schon lange nicht mehr wie mit dieser Sonderschau „design deutschland case study 08“, die Designer-Ikonen und Aufsteiger zur Fallstudie komprimiert und die verschwimmende Linie zur Kunst bewusst zurückdrängt. Und die zunächst mal als Wiedereinstieg nach einem Kollisionskurs vor allem für Florian Hufnagl (Neue Sammlung München) ein Ausrufezeichen aussenden will: „Das Design ist wieder da.“

Also lässt man es optisch reizvoll und dem Thema angemessen etwas kühl rappeln in den Kisten. Die sind eine Übernahme aus Köln, wo der „Rat für Formgebung“ (eine bundesweite Stiftung, die Preisträger ihres Design-Wettbewerbs wiederholt in Nürnberg ausstellten) diesen „wirklichen Überblick“ schon kurz präsentiert hatte.

Die Stichworte „Funktion“, „Material“, „Position“, „Werkzeug“ und „System“ bilden das Geländer für ausgestellte Design-Auffassung, die immer „Problemlösung für den Menschen“ sein wollte. Also soll die querschnittige Ausstellung „alle jene enttäuschen“, sagt Hufnagl, ,die unter Design ,Lifestyle’ oder als ,stylish’ aprostrophierte Produkte verstehen“. Was angesichts von Schulranzen, Kettcars und der bereits 1971 eingeführten Sprudelflasche auch eher bedingt möglich ist.

Freilich signalisiert die Produkt-Palette von Egon Eiermann und Walter Gropius bis Ingo Maurer und Nils Holger Moormann den greifbaren Einfallsreichtum einer weitgehend anonym operierenden Berufsgruppe. Das reicht vom Vogelhäuschen aus Wendelstein bis zur Single-Kaffeemaschine von WMF, einem Bürotisch mit griffiger Aktenordner-Furche und Tapeten aus Stein. Beispiele mentalen Gleichklangs, wo klare Linien emotionalen Überschwang eingrenzen. Und bei Edding-Filzer, Rösle-Besteck, Miele-Staubsauger und Flachbildschirm von Loewe-Opta kann jeder seinen Hausstand auf Design-Tauglichkeit überprüfen. Andreas Radlmaier

Neues Museum (Klarissenplatz): bis 5. Oktober; Di-Fr 10-20 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr

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