Augsburger Puppenkiste: Noch zeitgemäß?
MIt "Peter und der Wolf" ging die Puppenkiste 1953 auf Sendung und begeisterte seitdem Generationen kleiner Fernsehzuschauer. Aber ist das Marionetten-Format nach 60 Jahren noch zeitgemäß?
Augsburg – Die Marionetten der Augsburger Puppenkiste haben ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben. Vor 60 Jahren gingen sie erstmals auf Sendung. Inzwischen haben Figuren wie Hannah Montana, Yakari und Spongebob den Mattscheiben-Kampf gegen Jim Knopf, Urmel aus dem Eis und Katze mit Hut gewonnen. „Im Fernsehen hat sich die Ästhetik des Puppenspiels etwas überholt“, sagt die Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München, Maya Götz. „Die Puppen sind ein bisschen zu steif. Auch die Farben sind nicht die, die Kinder heute etwa aus Zeichentrickserien gewohnt sind.“
Für Klaus Marschall, seit 1992 Chef der Augsburger Puppenkiste, sind die Marionetten auch heute noch zeitgemäß, ob im Theater oder im Fernsehen. „Unsere Stärke ist nach wie vor, dass wir gute Geschichten erzählen. Das ist immer noch etwas Nachhaltigeres als Zeichentrickserien, auch wenn sie heute in der Überzahl sind“, sagt er. „Wir müssen uns fragen, was wir unseren Kindern heute anbieten wollen. Sonst könnten wir auch sagen, Bücher sind nicht mehr zeitgemäß.“ Die Puppenkiste sei zwar nicht mehr so präsent wie in den 1970er oder 1980er Jahren. „Aber man muss natürlich auch die veränderte Medienlandschaft sehen.“
Die Fernsehgeschichte der Puppenkiste begann am 21. Januar 1953 mit einer Livesendung des Stückes „Peter und der Wolf“. Gesendet wurde aus dem Studio des damaligen Nordwestdeutschen Rundfunks (NWDR) in Hamburg, aus dem später NDR und WDR hervorgingen. Die Kamera stand direkt vor der Bühne, Schnitte und Tricks waren damals noch kein Thema. Kurze Zeit später wechselte die Puppenkiste zum Hessischen Rundfunk (HR) – die erste Sendung aus Frankfurt war „Bällchen Schnellchen“. Weiterhin gab es die Marionetten live zu sehen.
Mitte der 1950er Jahre wechselten die Augsburger für einige Jahre zum Bayerischen Rundfunk. Dann holte der HR die Marionetten zurück. Der Durchbruch im Fernsehen kam nach Puppenkisten-Angaben Ende der 50er mit der mehrteiligen Serie „Die Muminfamilie“. Dieses Format sollte ausgebaut werden. Die Stücke wurden immer professioneller - sie sollten nicht mehr einfach nur im Studio abgefilmt, sondern von einem Regisseur inszeniert werden. Es entstanden Produktionen wie „Kater Mikesch“, „Urmel aus dem Eis“ und „Kleiner König Kalle Wirsch“.
"Die Fernsehproduktionen haben uns den nationalen und internationalen Bekanntheitsgrad gebracht“, sagt Marschall. „Ich denke, dass wir 1960 bis Mitte der 1970er Jahre den intensivsten Eindruck gemacht haben.“ Die Fernsehpräsenz der Puppenkiste ist inzwischen verschwindend gering. Der Kinderkanal von ARD und ZDF (Kika) hatte im Herbst 2011 die Marionetten-Sendungen aus dem Programm genommen.
Auf BR-alpha laufen Wiederholungen von „Ralphi“, einer kleinen Bären-Marionette. Es habe vor allem finanzielle Gründe, dass die Marionetten im Fernsehen ein Nischendasein führten, sagt Marschall. „Eine Produktion mit der Puppenkiste ist deutlich teurer, als eine Zeichentrickserie einzukaufen.“ Seit diesem Monat sind Marionetten der Puppenkiste in der Fernsehsendung „Freitag auf d'Nacht“ zu sehen. Satirisch-ironisch geben sie dort in kurzen Einspielungen ihre eigene Sicht der Dinge zum Besten – allerdings nur für Erwachsene.
Medienwissenschaftlerin Götz verweist auf die veränderte Medienlandschaft. „Die Augsburger Puppenkiste kam zu einer Zeit ins Fernsehen, als es nur Kinderfernsehen gab, das sehr mit dem pädagogischen Zeigefinger daherkam.“ Die neuen Sendungen seien „revolutionär“ gewesen und hätten die Kinder ernst genommen – das habe sich auf das Kinderprogramm allgemein ausgewirkt. Heute – bei rund 400 Stunden Kinderfernsehen pro Woche – hätten es Marionetten schwer, auch wegen ihrer begrenzten Mimik. „Kinder sind heute einfach andere Darstellungsformen gewohnt.“ Das ändere nichts am „alten Wert“ der Puppenkiste, die viele Menschen geprägt habe.