Augsburger Polizistenmörder kommen vor Gericht

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen zwei Brüder, Mehr als 200 Zeugen sollen gehört werden. Ein Überblick über den Fall im Augsburger Polizistenmord vor dem Prozess.
dapd, Von Diana Gäntzle |
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Kollegen trauern um den erschossenen Polizisten Mathias Vieth.
Sebastian Widmann/dapd, Lukas Barth/dapd Kollegen trauern um den erschossenen Polizisten Mathias Vieth.

Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen zwei Brüder, Mehr als 200 Zeugen sollen gehört werden. Ein Überblick über den Fall im Augsburger Polizistenmord vor dem Prozess.

Augsburg - Es war eine blutige Verfolgungsjagd, die bundesweit Entsetzen auslöste: Zwei schwerbewaffnete Motorradfahrer, unterwegs zu einem Raubüberfall, flüchten vor einer Polizeikontrolle. Sie rasen durch die Dunkelheit in den Augsburger Siebentischwald. Als sie dort stürzen und in der Falle sitzen, feuern sie mit einem Maschinengewehr auf ihre Verfolger. Der 41-jährige Polizist Mathias Vieth stirbt trotz schusssicherer Weste am Morgen des 28. Oktober 2011 im Kugelhagel, getroffen von mindestens drei tödlichen Schüssen. Noch als der zweifache Familienvater am Boden liegt, feuern die Männer auf ihn.

Vieths damals 30-jährige Kollegin erleidet einen Streifschuss an der Hüfte. Der brutale Angriff kommt als „Augsburger Polizistenmord“ wochenlang nicht aus den Schlagzeilen. Von Donnerstag (21. Februar) an stehen die mutmaßlichen Täter vor dem Augsburger Landgericht.

Die Staatsanwaltschaft legt den Brüdern Rudi R. und Raimund M. Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung zur Last. Es wird ein ausführlicher Prozess, der sich wohl bis Jahresende hinzieht: Mehr als 200 Zeugen sollen an bislang knapp 50 eingeplanten Verhandlungstagen gehört werden. Den Anfang machen Polizisten, die am Tatort waren und den Notruf entgegennahmen. Außerdem sollen im Laufe des Verfahrens zahlreiche Sachverständige, etwa vom Landes- und Bundeskriminalamt aussagen. Wann die an Vieths Seite verletzte Kollegin aussagen soll, will der Sprecher des Landgerichts, Claus Pätzel, „aus Opferschutz-Gesichtspunkten“ noch nicht sagen. Die Frau tritt, wie die Witwe des Ermordeten, als Nebenklägerin auf.

Die junge Polizistin leidet noch heute unter der Tat, wie ihre Anwältin Marion Zech auf dapd-Anfrage sagt. „Sie ist noch in Behandlung.“ Allerdings arbeite die Beamtin inzwischen wieder und kämpfe dagegen an, „dass diese Tat ihr komplettes Leben zerstört“.

Erst nach zwei Monaten gefasst

Bereits die Ermittlungen zu dem Mord hatten Wellen geschlagen, da die Polizei die Verdächtigen erst nach zwei Monaten fasste. Hunderte Polizisten samt SEK und Hubschraubern durchkämmten damals die Gegend um den Tatort, 50 Ermittler einer Sonderkommission fahndeten wochenlang auch international nach den Tätern. Die Beamten wandten sich mehrfach in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ an die Bevölkerung. Teils schauten über sechs Millionen Menschen zu, Hunderte von Hinweise gingen ein, 100.000 Euro Belohnung waren ausgelobt.

Ende Dezember 2011 klickten schließlich die Handschellen bei dem inzwischen 57-jährigen Rudi R. und dem heute 59-jährigen Raimund M.. Sie waren über ein nahe dem Tatort gefundenes Auto ins Visier der Ermittler geraten, das auf Verwandte der beiden zugelassen war. Eine DNA-Spur vom Tatort ließ sich einem der Verdächtigen zuordnen.

Seit ihrer Verhaftung sitzen die beiden in Untersuchungshaft, auch mehrere Angehörige wurden vorübergehend verhaftet. Die Tochter von Raimund M. wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil sie ein ganzes Waffenarsenal für ihren Vater gelagert hatte: Etliche Pistolen, neun Handgranaten, drei Kalaschnikow-Maschinengewehre sowie fast 40.000 Euro mutmaßliches Beutegeld aus einem Raubüberfall.

Schießwütiger Waffennarr

Zu den Mordvorwürfen schweigen die Brüder, auch gegenüber dem psychiatrischen Gutachter. „Der eine hat überhaupt nicht mit ihm gesprochen, der andere zumindest nicht über die Tat“, sagt Pätzel. Dennoch kam im Laufe der Ermittlungen die kriminelle Vorgeschichte der beiden ans Licht. So ist der Hauptbeschuldigte Rudi R. laut Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz ein „sozial unangepasster Waffennarr, der schießwütig agiert, wenn er in Konfliktsituationen gerät“. Schon vor vielen Jahren, 1975, hatte Rudi R. einen Augsburger Polizisten ermordet. Dafür saß er fast 20 Jahre hinter Gittern.

Als er freikam, soll er wieder losgezogen sein. In dem Prozess wird eine ganze Serie Raubüberfälle mitverhandelt, die auf das Konto der Brüder gehen soll. So sollen sie im Februar 2002 und im März 2004 bei Überfällen auf Werttransportunternehmen in Ingolstadt und Augsburg mehr als eine halbe Million Euro erbeutet haben. Dazu kommen Raubüberfälle auf einen Supermarkt und eine Bank sowie Verstöße gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Zuletzt sorgte ein Bericht der „Augsburger Allgemeine“ für Wirbel, wonach Raimund M. aus dem Gefängnis ausbrechen und einen Richter als Geisel nehmen wollte, um seinen Bruder Rudi R. freizupressen. Alleine für den Mord drohen den beiden lebenslange Haftstrafen. Anwältin Zech ist fest davon überzeugt, dass die beiden verurteilt werden, „und zwar volle Kanne“. Für sie wäre „alles andere eine große Überraschung“.

 

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