Augsburg und die Bombe: Vier quälend lange Stunden

Gespensterstadt Augsburg. Die Innenstadt von Bayerns drittgrößter Stadt wurde am ersten Weihnachtsfeiertag zur Sperrzone. 54.000 Bewohner mussten draußen warten - wegen der Entschärfung einer Mega-Bombe. Es wurden für viele quälend lange Stunden.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Nach der geglückten Entschärfung einer Fliegerbombe stehen am 25.12.2016 in Augsburg (Bayern) die Sprengmeister neben der Bombe.
dpa Nach der geglückten Entschärfung einer Fliegerbombe stehen am 25.12.2016 in Augsburg (Bayern) die Sprengmeister neben der Bombe.

Augsburg - Es war ein rund zwölf Stunden langer Ausnahmezustand in Bayerns drittgrößter Stadt. Um 5.00 Uhr in der Früh hatten am Sonntag die Augsburger Stadtwerke mehr als 100 Busse und Straßenbahnen losgeschickt, um 54.000 Bewohner bei der größten Evakuierungsaktion wegen einer Bombenentschärfung in Deutschland in Sicherheit zu bringen. Sie dauerte bis fast 19.00 Uhr. Erst dann konnten die Bombenspezialisten vermelden, dass sie die 1,8 Tonnen schwere britische Luftmine unschädlich gemacht hatten. Wenig später teilte die Stadt mit: "Die Evakuierung ist aufgehoben."

Vier Stunden lang hatten die zwei Mitarbeiter eines Bombenräumkommandos gewissenhaft und gründlich an der riesigen Fliegerbombe gearbeitet. Die beiden Männer waren in dieser Zeit allein in dem Sperrgebiet, welches die Stadt im Umkreis von eineinhalb Kilometern um die Bombe festgelegt hatte. Mehrere Zünder mussten aus der verrosteten Fliegerbombe, die viel größer war als übliche Blindgänger, entfernt werden.

900 Polizisten und 4.000 Helfer im Einsatz

Die betroffenen Augsburger waren in den vergangenen Tagen darauf vorbereitet worden, dass sie am ersten Weihnachtsfeiertag die Innenstadt verlassen müssen. Doch Bahnen und Busse blieben oft fast leer, auf den Straßen waren am Vormittag nur relativ wenige Autos unterwegs. Offenbar hatten viele das gemacht, worauf die Behörden schon in den Tagen seit dem Bombenfund am Dienstag gehofft hatten: Sie waren am Heiligabend zu ihrer Familie oder zu Freunden gefahren, manche auch verreist.

Augsburger Bombe entschärft: Der AZ-Newsblog zum Nachlesen

Während rund 900 Polizisten zusammen mit Hunderten Feuerwehrkräften gegen 11.00 Uhr durch die Stadt fuhren und mit Lautsprecherdurchsagen nochmals auf die Räumungsanordnung hinwiesen, berichtete die Stadtverwaltung in ihrem Internetticker: "Die Atmosphäre in der Stadt ist gespenstisch. Kein Mensch auf den Straßen, kein Gesicht hinter den Fensterscheiben." Wenige Stunden später brach die Homepage zusammen - zu viele Menschen wollten sich via Internet über die Lage informieren.

Schutzwall aus Sandsäcken um die Bombe

Zu der Zeit waren die zwei Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes Tauber aus Würzburg bereits hochkonzentriert bei der Arbeit. Ein Kollege von ihnen hatte zuvor betont, beide seien trotz der schwierigen und gefährlichen Aufgabe "gut drauf". Für den Fall, dass bei der Entschärfung doch etwas schief geht, wurde rund um die Bombe ein meterhoher Schutzwall aus Sandsäcken errichtet. Dies sollte im Fall der Fälle die Druckwelle der mit eineinhalb Tonnen Sprengstoff gefüllten Luftmine mindern. Die beiden Bombenexperten hätten eine Explosion keinesfalls überlebt, machte das Unternehmen klar.

"Wir haben hier in Augsburg so ein Riesen-Ding noch nicht gehabt", sagte Polizeisprecher Manfred Gottschalk zur Dimension der Bombe. Dabei hat Augsburg viel Erfahrungen mit Blindgängern: Als wichtiger Rüstungsstandort der Nazis, beispielsweise wegen der Messerschmitt-Flugzeugwerke, war die Stadt mehrfach Ziel alliierter Bomberpiloten.

Weniger Menschen in Notunterkünften als geplant

In den sechs Notunterkünften der Stadt trudelten am Sonntag nur wenige Menschen ein. In der größten Unterkunft in der Augsburger Messe hatten die Helfer für etwa 1000 Menschen Bierzeltgarnituren aufgestellt, doch nur etwa 200 Betroffene kamen am Vormittag in die Halle. Bernd Herrmann, Bereitschaftsleiter des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Stein im Kreis Fürth, wunderte das nicht. In die Notunterkünfte kämen vor allem Menschen, die kaum soziale Kontakte hätten, erklärte er. Herrmann und seine Kollegen zählen zu den rund 4.000 Helfern aus ganz Bayern, die am Feiertag schon in den frühen Morgenstunden zu dem Großeinsatz aufgebrochen waren. In der Messe etwa kamen etliche ausländische Familien ohne Angehörige in Deutschland unter. Manche vertrieben sich die Stunden bis zur Rückkehr ins eigene Heim mit Büchern, andere hatten ihre Notebooks dabei, Kinder spielten mit Handys.

Gabriele Behrend gehörte zu den Betroffenen, die niemanden hatte, bei dem sie unterkommen konnte. Darum sei sie in die Messe gefahren, erzählte sie. Die 70-Jährige ist erst in ihrem Ruhestand von München nach Augsburg gezogen. Sie war über die relativ leere Halle überrascht: "Ich hätte es mir voller vorgestellt." Um die Zeit bis zur Rückkehr in ihre Wohnung zu vertreiben, hatte sie sich ein leeres Rätselheft mitgenommen. Schon vormittags wusste sie: "Bis nachher habe ich es durch."

Was jetzt mit der Bombe passiert

Der unschädlich gemachte Riese wird nun noch einige Tage auf der Baustelle liegen, auf der er am Dienstag entdeckt wurde. In der kommenden Woche soll die Luftmine unter Polizeischutz abtransportiert werden.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.