Augsburg hisst nach Randale neutrale Friedensflagge: Diese Entscheidung sorgt für große Enttäuschung

Augsburg - Zweimal haben Randalierer die Israelflagge vor dem Rathaus in Augsburg bereits heruntergerissen. Jetzt reagiert die schwarz-grüne Stadtspitze und verzichtet auf die Flagge. Stattdessen haben die Verantwortlichen eine neutrale Friedensflagge aufgezogen. Juden und Israelis zeigen sich damit unzufrieden. Die Rathausspitze gerät zunehmend in die Kritik.
Ein Zeichen der Schwäche und eine "Konfliktvermeidungsstrategie"
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland spricht von einer "Kapitulation" vor "antisemitischen Randalierern". Jede einzelne Israelflagge auf öffentlichen Plätzen sei ein Ausdruck des Gedenkens an die Opfer des 7. Oktobers, sagt Josef Schuster zur AZ. Weiter betont er: "Inwiefern allgemeine Friedensflaggen dasselbe ausdrücken sollen wie eine Israelflagge, erschließt sich mir nicht." Neben Schuster meldet sich auch die Münchner Generalkonsulin Tayla Lador-Fresher zu Wort. Für die Diplomatin sei das "Einknicken" der Stadt ein Zeichen der Schwäche. "Die israelische Flagge ist nicht nur ein Zeichen der Solidarität, sondern sie steht für die westlichen Werte", sagt die ehemalige Botschafterin Israels in Österreich.
Auch der Augsburger Jude Daniel Melcer ist von der Rathausspitze enttäuscht. Der Leiter einer Werbeagentur hatte zwei Israelflaggen auf eigenem Grundstück aufgezogen, zwei Männer rissen sie dann am Jahrestag der Reichspogromnacht herunter. Von der Stadt erwartet Melcer weiterhin eine Solidaritätsbekundung - wie nach Russlands Überfall auf die Ukraine. Damals habe die Stadt mit Bannerflächen Anteilnahme gezeigt. Beim Kriegsausbruch im Nahen Osten hätten sich die Verantwortlichen hingegen für eine einzige Fahne entschieden, die jetzt abgehängt wurde. "Vielleicht ist die Parole 'Kein Platz für Antisemitismus' doch nur ein Satz und keine Haltung", so der Augsburger. Für Melcer ist die Entscheidung der Stadt eine "Konfliktvermeidungsstrategie".
In anderen Städten bleibt die israelische Flagge, sonst wird Antisemitismus normalisiert
Verantwortung für den Entschluss der Stadt trägt Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU). Ihre Entscheidung begründete sie in einer schriftlichen Erklärung und auf dem Internetauftritt der Stadt. Dort spricht sie vom grausamen Terroranschlag der Hamas, der die Politikerin "fassungslos" mache. Inzwischen sorge sich die Politikerin aber auch um das friedliche Zusammenleben in der schwäbischen Metropole. "Ich spüre zurzeit viele Emotionen. Wut, Angst, Trauer, Entsetzen und auch Ratlosigkeit." Dabei könnten geopolitische Konflikte wie im Nahen Osten nicht in Augsburg gelöst werden.
Ähnliche Vorfälle und Diskussionen wie in Augsburg gibt es in zahlreichen Städten und Kommunen in Bayern. Auch in Bamberg sei eine Israelflagge beschädigt worden. Die Rathausvertreter wollen dem Druck jedoch nicht nachgeben: "Die Flagge vor dem Bamberger Rathaus bleibt", hieß es auf AZ-Anfrage. "Wenn wir auf Solidaritätskundgebungen verzichten, dann würden wir uns dem Antisemitismus und Rassismus beugen und ihn normalisieren."
Nürnbergs Bürgermeister betont: "Die Menschen in Israel brauchen unsere Solidarität"
Derselben Ansicht ist auch die Stadt Nürnberg. Dort wurden in den letzten Wochen mehrere israelische Flaggen zerstört. Für Oberbürgermeister Marcus König ist das allerdings kein Grund, um auf Solidaritätsbekundung zu verzichten. "Die Menschen in Israel, die jüdischen Bürgerinnen und Bürger brauchen unsere Solidarität", sagt der CSU-Politiker zur AZ. Eine neutrale Friedensflagge sei zwar ein Symbol, sie könne aber die Flagge Israels nicht ersetzen. Auch in München wurde die Flagge zweimal heruntergerissen. Die Landeshauptstadt hat deshalb eine Israelflagge an der Fassade des Rathauses angebracht.
"Brachialer Gewalt" auch außerhalb von Bayern: Für Experten nichts Neues
Derartigen Vandalismus gab es auch außerhalb Bayerns. In Darmstadt sei eine Israelflagge mit "brachialer Gewalt" herabgerissen worden, hieß es in einer Mitteilung des Oberbürgermeisters Hanno Benz (SPD). Genauso wie in Konstanz, Frankfurt und Gronau (Westfalen).
Für Konfliktforscher Stephan Stetter von der Universität der Bundeswehr München ist das nichts Neues. Der Experte beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Nahostkonflikt. Für ihn zeigt die aktuelle Debatte um die Israelflagge "die starke Politisierung und Radikalisierung, die von diesem Konflikt ausgeht". Trotzdem seien Solidaritätsbekundungen wichtig, es sei das größte Massaker gegen Juden seit dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Wirklichen Frieden könne es auf lange Sicht nur durch eine historische Aufarbeitung geben.