Aufstand der Ärzte: Kollektiv aus dem Kassensystem aussteigen

Der Streit um die Massen-Rückgabe der Kassenzulassungen eskaliert. Showdown am Mittwoch. Im schlimmsten Fall müssen 70 Prozent der Patienten die Rechnung künftig selbst zahlen.
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Die Hausärzte wollen bei ihrer Tagung in Nürnberg am Mittwoch kollektiv ihre Kassenzulassungen zurückgeben - um höhere Honorare zu erzielen.
dpa Die Hausärzte wollen bei ihrer Tagung in Nürnberg am Mittwoch kollektiv ihre Kassenzulassungen zurückgeben - um höhere Honorare zu erzielen.

MÜNCHEN - Der Streit um die Massen-Rückgabe der Kassenzulassungen eskaliert. Showdown am Mittwoch. Im schlimmsten Fall müssen 70 Prozent der Patienten die Rechnung künftig selbst zahlen.

Der Streit mit den Hausärzten spitzt sich immer weiter zu: Nach der AOK wollen heute auch alle Ersatzkassen den Ausstieg aus den Verträgen verkünden. Damit wären in Bayern 70 Prozent aller Kassenpatienten betroffen – und die Betriebskrankenkassen könnten noch folgen.

Hintergrund ist die Drohung der Hausärzte, kollektiv aus dem Kassensystem auszusteigen: Sie wollen bei ihrer Tagung in Nürnberg am Mittwoch kollektiv ihre Kassenzulassungen zurückgeben, um höhere Honorare zu erzielen. Wegen dieser Drohung hatte bereits die AOK vergangene Woche ihren Hausarztvertrag fristlos gekündigt. Heute wollen die Ersatzkassen folgen, laut „Münchner Merkur“ wollen sich die Betriebskrankenkassen eventuell anschließen.

Damit rasen zwei Züge aufeinander zu. Beschließen die Ärzte am Mittwoch wie geplant die Rückgabe ihrer Kassenzulassung, wäre sie noch bis 30. März 2011 gültig. Danach müssten Patienten die Arztrechnung aus eigener Tasche zahlen. Und die bayerischen Fachärzte haben gestern angekündigt, dass sie nicht einspringen: „Wir sind ohnehin überlastet und müssen uns laut Berufsordnung an die Grenzen unserer Fachgebiete halten“, so Ilka Enger, Vorsitzende des Fachartzverbandes. „Wir werden nicht die Streikbrecher sein.“

Getrieben wird die Aktion von Wolfgang Hoppenthaller, Chef des Hausarztverbandes. Der sieht die Ärzte als „Sklaven“ der Kassen. Er hatte schon einmal mit einer Massen-Rückgabe von Kassenzulassungen gedroht, sie dann aber abgeblasen, als „Aussicht auf Besserung“ bestand.

Doch diesmal hat der Hausärztechef womöglich zu hoch gepokert. Bisher haben sich die CSU und ihr Gesundheitsminister Markus Söder durchaus für die Interessen der bayerischen Hausärzte stark gemacht. Im Rahmen der aktuellen Gesundheitsreform aber wurden die lukrativen Hausarztverträge gekippt. Die CSU schaffte es nur, eine Übergangsfrist durchzusetzen. Bisher stehen die Hausärzte in Bayern besonders gut da, der von Hoppenthaller ausgehandelte bisher gültige Deal gilt in Branchenkreisen als „goldener Vertrag“. Mitglieder des Hausarztvertrages bekommen einen so genannten Fallwert von 84 Euro pro Patient und Quartal, bundesweit sind es im Schnitt gut 40 Euro.

Und die CSU hat diesmal wenig Neigung, für die Hausärzte zu kämpfen. „Es herrscht eine gewisse Grundenttäuschung“, sagt Söder. Er hat große Anzeigen schalten lassen: „Bedenken Sie die Folgen! Wer aussteigt, ist draußen.“ Jeder Arzt, der die Zulassung zurückgibt, könne nur noch Privatpatienten behandeln. Sechs Jahre lang darf er nicht ins Kassensystem zurückkehren. „Alle Mediziner sollten mit ihren Ehepartnern und ihrer Bank darüber reden, ob das wirtschaftlich und persönlich der richtige Weg ist“, droht der bayerische Gesundheitsminister und mahnt: „Ärzte haben ein Berufsethos. Es geht um die Versorgung von Kranken und nicht nur um Honorarstreitigkeiten.“ Er erinnerte an das „hohe Vergütungsniveau“ der Hausärzte. Es beträgt laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 206368 Euro pro Jahr.

Genau die KVen sind es, an denen sich die Hausärzte stören. Ziel des Protestes ist es, dass sie direkt mit den Kassen abrechnen und nicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen. Das ist aber rechtlich nicht möglich. Hoppenthaller ist das egal: Da werde sich doch eine Gesetzeslücke finden lassen, sagt er. Das Bundesversicherungsamt mahnt die bayerischen Ärzte dringend: „Der Kollektiv-Ausstieg ist nicht nur rechtswidrig, sondern ein handfester grober Bruch des Hausarztvertrages“, so Präsident Maximilian Gaßner. „Man kann nur hoffen, dass sich Herr Hoppenthaller nicht durchsetzt.“

tan

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