Asyl in Bayern? Keine Chance – ein Betroffener berichtet von illegalen Pushbacks

Geflüchteten-NGOs kritisieren, dass an der deutschen Grenze zwischen Bayern und Österreich Schutzsuchende illegal abgewiesen werden. Der Fall eines Betroffenen.
von  Maximilian Neumair
Bundespolizisten stehen an der deutsch-österreichischen Grenze.
Bundespolizisten stehen an der deutsch-österreichischen Grenze. © dpa

München/Salzburg - Der 36-jährige Raed Khalil sagt, er habe wegen politischer Verfolgung aus Syrien fliehen müssen. In der Bundesrepublik wollte er Asyl ersuchen. Seine Familie sollte schnellstmöglich nachziehen. Die Einreise nach Deutschland hatte jedoch ein jähes Ende: Er wurde kurz nach der Grenze von Polizisten festgenommen und zurück nach Österreich geschickt. Illegalerweise.

Khalil ist kein Einzelfall. Die Geflüchteten-NGOs Pushback Alarm Austria, Border Violence Monitoring Network und der Bayerische Flüchtlingsrat kritisieren, dass es sich um systematische Pushbacks handele. Als Pushback bezeichnet man das unrechtmäßige Zurückdrängen von Geflüchteten von den Grenzen ihres Ziel- oder Durchgangslandes.

Der Syrer Raed Khalil ist nach eigener Aussage an der Grenze zu Deutschland unrechtmäßig dazu gedrängt worden, zurück nach Österreich zu gehen. Flüchtlingshelfer sehen dahinter ein System.
Der Syrer Raed Khalil ist nach eigener Aussage an der Grenze zu Deutschland unrechtmäßig dazu gedrängt worden, zurück nach Österreich zu gehen. Flüchtlingshelfer sehen dahinter ein System. © Raed Khalil

EU-Asylrecht: Darum sind Pushbacks illegal

Das Abweisen an der Grenze ist unrechtmäßig, da sobald eine Person schriftlich, mündlich oder in anderer Weise den Willen äußert, dass sie Schutz vor politischer Verfolgung in Deutschland sucht, sie als Geflüchteter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) registriert werden muss.

Anschließend wird das Dublin-Verfahren eingeleitet, um zu bestimmen, welcher EU-Mitgliedsstaat für denjenigen zuständig ist. Bei einem Pushback kommt es erst gar nicht dazu.

Der Bayerische Flüchtlingsrat ist empört

"Wir können uns nicht einfach Dublin sparen und die Leute direkt wieder nach Salzburg schicken", sagt Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat der AZ. Er vermutet, dass die Bundespolizei weghöre, wenn Geflüchtete ihre Bitte um Schutz äußerten.

Darauf deuten zumindest die Zahlen hin: 14.675 Menschen wurde im Jahr 2022 die Einreise an der Grenze zu Österreich verweigert. 68 Prozent der Abgewiesenen stammen aus einem der 15 wichtigsten Asylherkunftsländern wie Afghanistan und Syrien. "Dass jemand aus Syrien einreisen will und keine Papiere hat, aber kein Asyl möchte, das glaube ich nicht", sagt Dünnwald.

Drängte die deutsche Polizei den Geflüchteten zur Unterschrift?

Khalil beteuerte bei seiner Festnahme immer wieder, dass er politischen Schutz in Deutschland suche. Das nahm die Polizei offenbar nicht zur Kenntnis. Stattdessen wurde er für zwei Tage festgehalten und laut eigener Aussage dazu gedrängt, ein Dokument auf Deutsch zu unterschreiben, das seine Einwilligung für eine Rückführung nach Österreich bezeugt. Zu dem Zeitpunkt konnte er noch kein Deutsch – nur Englisch und Arabisch.

Unterschreibe er nicht, so lautete die Drohung Khalil zufolge, käme er für mehrere Monate ins Gefängnis. Einen Anwalt hinzuziehen, eine Hilfsorganisation oder seine Familie zu kontaktieren, sei ihm während der Haft untersagt worden.

Diese Schilderungen passen nicht mit der Leitlinie der Bundespolizei zusammen: Im Zweifelsfall gehe man von einem Asylgesuch aus, sagt sie der AZ. Wenn also Unklarheit besteht, ob derjenige politischen Schutz sucht oder nicht, hat die Bundespolizei die betroffene Person zum Bamf zu bringen. "Wenn so viele aus Fluchtländern zurückgewiesen werden, sehen wir da irgendwo einen Haken", so Dünnwald.

Bei der Bundespolizei zeigt man sich ratlos

Eine Erklärung, warum so viele Einreisende aus Asylherkunftsländern angeblich um keines ersuchen, hat die Bundespolizei nicht. Sie versichert lediglich, dass die Grenzbeamten über umfangreiche Englischkenntnisse verfügten, Vordrucke in verschiedenen Sprachen zur Verfügung ständen und – wenn erforderlich – auch Dolmetscher hinzugezogen würden.

Da die Geflüchteten-NGOs an den Aussagen der Polizei zweifeln, fordern sie die Einrichtung eines unabhängigen Menschenrechtsmonitorings. Das heißt, ein Wohlfahrtsverband, die Kirche oder eine Behörde würden bei illegalen Einreisenden überprüfen, ob diese Schutz benötigen. Dem Bamf trauten sie diese Überprüfung nicht zu, da keine Unabhängigkeit gegeben sei, so Dünnwald.

Von Bayern zurück nach Österreich: Khalil muss weiterhin in Unsicherheit leben

Ein Monitoring soll demnach Fälle wie den von Khalil verhindern. Der befindet sich derzeit in Österreich und hat dort einen subsidiären Schutz. Das heißt, er kann ein Jahr bleiben – allerdings darf seine Familie nicht nachkommen.

Derzeit wartet der Syrer auf ein Gerichtsurteil, um seinen Schutzstatus zu verlängern und den Nachzug seiner Angehörigen zu ermöglichen. Sollte das nicht erlaubt werden, will er wieder nach Syrien zurückkehren. Trotz der damit verbundenen Gefahren.

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