Arzt über brutalen Sextäter:"Ihn rauszulassen, war ein Fehler"

Der gefährliche Sextäter aus Mittelfranken, er hatte zuletzt seine Therapietermine nicht mehr wahrgenommen. Dennoch wurde er 2009 entlassen - und rückfällig. Wie konnte das passieren?
von  Abendzeitung
Sextäter Bernhard S.
Sextäter Bernhard S. © dapd

ERLANGEN - Der gefährliche Sextäter aus Mittelfranken, er hatte zuletzt seine Therapietermine nicht mehr wahrgenommen. Dennoch wurde er 2009 entlassen - und rückfällig. Wie konnte das passieren?

Der gefasste Sexualstraftäter aus Mittelfranken war im Erlanger Klinikum am Europakanal behandelt worden. Auch nach seiner Entlassung 2009 sollte er hier eine wöchentliche Therapie absolvieren. Als er diese abbrach, wurden die Experten hellhörig, wie Michael Wörthmüller, Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa sagte: Man habe die Gefahr erkannt – und eigentlich gehofft, noch rechtzeitig reagiert zu haben.

Doch dann war es zu spät: Dem bereits einschlägig verurteilten Mann wird vorgeworfen, sich erneut an zwei Frauen vergangen zu haben. Eine 22-Jährige habe er sogar nach Schleswig-Holstein verschleppt.

Laut Staatsanwaltschaft hatte der 48-Jährige zuletzt seine Therapietermine nicht mehr wahrgenommen. Hätte Ihre Einrichtung schneller reagieren müssen?

Wörthmüller: „Wir haben das Risiko und die Gefahr erkannt, wir haben all das, was uns möglich ist, getan, um das einzudämmen. Wir hatten die Hoffnung, dass genug Zeit bleibt. Wir haben unsere Beobachtungen ständig der Bewährungshilfe mitgeteilt, zehn Tage vor der Tat darauf gedrängt, dass der Mann wieder in die Klinik zurück muss. Eigentlich hatte er wöchentlich einen Termin bei uns, der Kontakt ist dann Stück für Stück abgebrochen. Dann bekam er von seinem Bewährungshelfer noch einmal die dringende Auflage, wieder zu uns zu kommen. Uns ist außerdem berichtet worden, dass er nachts länger mit dem Auto umhergefahren ist.“

Warum hatte der Mann eine so gute Prognose?

Wörthmüller: „Ein Leben in Freiheit ist schon langfristig mit ihm erprobt worden. Es war keine kurze Zeit in Freiheit vor dem Rückfall, sondern er hatte schon seit rund eineinhalb Jahren eine Arbeit, später auch eine eigene Wohnung, ehe er 2009 freikam. Der zuständige Sachverständige stand vor der Frage: "Kann man verantworten, ihn rauszulassen?" Natürlich muss man nun sagen: Das war ein Fehler.“

Also muss man einmal mehr konstatieren, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt?

Wörthmüller: „Hundertprozentige Sicherheit erreicht man nur durch hundertprozentiges Einsperren. Der hier angewandte Maßregelvollzug hatte einen günstigen Verlauf genommen. Und mit einer schlechten Prognose wird ja auch niemand entlassen. Gutachter können nur von einem niedrigen, hohen oder großen Risiko sprechen, nie von gar keinem Risiko.“

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