Arzt ohne Studium:Fußpfleger gesteht Schwindel

ASCHAFFENBURG - Wer heilt hat Recht? Manche sagen das. Dennoch ist es strafbar, wenn man sich als Arzt ausgibt und praktiziert, ohne Medizin studiert zu haben. Ein gelernter Fußpfleger steht aus diesem Grund derzeit in Aschaffenburg vor Gericht. Er bereut angeblich den Schwindel.
Auch wenn der Angeklagte wie ein kompetenter Arzt aussieht – Anzug und Krawatte, perfekt frisiert, dezente Brille – er ist keiner. Vielmehr ist er wohl ein Schwindler und Hochstapler. Denn der gelernte Kfz-Mechaniker und medizinisch-orthopädische Fußpfleger soll 159 Patienten wie ein echter Arzt behandelt haben. Spritzen, Laserbehandlung, Blut abnehmen und mehr gehörten zu seinem Repertoire. Seit Donnerstag muss sich der 56-Jährige vor dem Landgericht Aschaffenburg verantworten.
Die ahnungslosen Männer und Frauen vertrauten dem grauhaarigen Mann. Seit Ende 2008 warb er mit naturorientierter Medizin, versprach schnelle Hilfe. Seine Kunden ließen sich in Praxen in Aschaffenburg, Nordheim am Neckar (Baden-Württemberg) und im thüringischen Kromsdorf mit seiner „molekularen Zelltherapie“ behandeln. Sie schluckten die Tabletten, die ihr „Arzt“ ihnen verschrieb, ließen sich spritzen. Dafür kassierte der Angeklagte nach eigenen Angaben mehr als 122 000 Euro.
Auch wenn niemand gesundheitlich zu Schaden kam – ein Verbrechen ist es trotzdem, ohne Ausbildung als „Dr. med.“ zu arbeiten. Im Frühjahr flogen die Machenschaften auf. Die Anklage wirft dem Mann aus dem unterfränkischen Landkreis Miltenberg nun Betrug in 110 Fällen und gefährliche Körperverletzung in 1936 Fällen vor. Die Anklageschrift ist 72 Seiten stark.
Mehr als zwei Stunden braucht Staatsanwalt Thomas Fust, um die Vorwürfe zu verlesen. Danach äußert sich Verteidiger Christoph Jahrsdörfer: „Es ist zutreffend, dass sich der Angeklagte nach außen hin als Arzt und Doktor der Medizin ausgab.“ Sein Mandant habe Rezepte ausgestellt, Atteste für Schulen oder Arbeitgeber geschrieben, Injektionen gesetzt. „Hierbei hat er ganz überwiegend homöopathische Mittel gespritzt.“ In einigen Fällen seien es auch cortisonhaltige Präparate gewesen.
Der 56-Jährige räume die Vorwürfe der Anklage „in vollem Umfang“ ein. „Der Angeklagte möchte sich für sein Verhalten bei den Patienten entschuldigen“, betont Jahrsdörfer. Er habe niemandem Schaden wollen.
„Es sind zu ihm nur hoffnungslose Fälle gekommen“, berichtet der Mann eines Opfers am Rande der Verhandlung. „Leute, die alles probiert haben, die jeden Strohhalm nahmen.“ Vor allem ältere Frauen mit unerklärbaren Schmerzen, massiven Hautproblemen oder Depressionen hätten sich oft erfolgreich von dem 56-Jährigen behandeln lassen. Der Fußpfleger und seine Lebensgefährtin – sie arbeitete in den Praxen mit – seien stets herzlich gewesen.
„Man hat ihm vertraut“, erzählt der 72-Jährige aus Südhessen, auch weil Freunde den „Arzt“ gelobt hätten. Seine Ehefrau habe sich mehr als 60 Mal in die Hände des vermeintlichen Mediziners begeben, mit Erfolg. Die Spritzen des Kfz-Mechanikers hätten die Rückenschmerzen der 69-Jährigen gelindert. Dass alles ein Schwindel war, kann der Rentner kaum fassen.
Der Angeklagte ist kein unbeschriebenes Blatt. Wegen Betrugsdelikten saß er bereits in Österreich, den USA und in Deutschland im Gefängnis. Am kommenden Montag (15. November) soll das Verfahren fortgesetzt werden.
dpa