Armbrust-Prozess: Opfer will nicht gegen Verwandte aussagen!
NÜRNBERG - Sie wollten ihn angeblich aus Rache töten. Den eigenen Sohn und Bruder. Mit einer Armbrust. In Nürnberg stehen eine Mutter und ihr Sohn vor Gericht. Das Opfer hatte sie wegen Inzests angeklagt - jetzt schweigt er plötzlich.
Februar 2008: Eine Nürnbergerin Karin R. (38) und ihr 19 Jahre alter Sohn Mark B. schmieden einen tödlichen Plan. Sie wollen den jüngeren Bruder mit einer Armbrust erschießen. Der Grund: Der Jugendliche namens Hans (Name geändert) hatte seine eigene Familie angezeigt - wegen Inzests. Das sagt jedenfalls die Staatsanwaltschaft
Die Frau und ihr Sohn sollen die Halbschwester (7) des jüngeren Bruders sexuell missbraucht haben - das sagte Hans im Dezember 2007 der Polizei. Im Februar lud die Mutter ihn zu einer "Aussprache" ein - sie stritten sich, es eskalierte. Da schoss Mark B. aus nächster Nähe in die Brust - der Pfeil blieb im Brustbein stecken. Derweil hörte die Freundin von Hans per eingeschaltetem Handy mit und rief die Polizei.
Seit Freitagmorgen stehen die 38-Jährige und ihr älterer Sohn wegen gemeinschaftlich versuchten Mordes mit gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth.
Opfer Hans hat die Aussage gegen seine Mutter und seinen Bruder vor dem Landgericht verweigert. Der Jugendliche wollte auch nicht, dass frühere Aussagen bei der Polizei und dem Untersuchungsrichter im Prozess verwertet werden.
Mark B. "Ich wollte nur, dass er uns in Ruhe lässt"
Die Angeklagten haben den Schuss auf den Wehrlosen gestanden. Den Mordvorwurf wiesen sie jedoch zurück: „Es trifft zu, dass ich auf meinen Bruder geschossen habe, aber erst, als er mich aufgefordert hat. Es war ursprünglich nicht meine Absicht“, sagte der 19-Jährige _ er hat bereits mehrere Vorstrafen. Der Anwalt der Mutter betonte: „Zu keinem Zeitpunkt haben sie darüber gesprochen, ihn zu töten.“
Die Anklage sieht das anders: „Bereits im Vorfeld des Treffens hatte die Angeschuldigte eine Armbrust, die normalerweise im Schlafzimmer aufbewahrt wurde, mit einem Pfeil geladen und neben der Wohnungseingangstür hinter einem Gefrierschrank abgestellt, um so sicherzustellen, dass dem Geschädigten ein Verlassen der Wohnung nicht mehr möglich war“, sagte die Staatsanwältin.
Auch Mark B. verteidigte sich: „Ich wollte nur, dass er uns in Ruhe lässt“, sagte der Angeklagte. Laut dem Anwalt seiner Mutter hatte die Frau die beiden Jungen im Kleinkindalter verlassen, nachdem der Vater sich in die Türkei abgesetzt und später umgebracht hatte. „Im Alter von 15 und 14 Jahren sind sie wieder zu ihr gezogen, und Mark und sie haben eine besondere Beziehung aufgebaut“, schilderte der Anwalt.
T. Gautier