Archäologischer Fund in Schweinfurt: Ein Grab, drei Tote - und viele Rätsel

Im Kreis Schweinfurt sind Tausende Jahre alte Skelette einer Frau, eines Mannes und eines Kindes entdeckt worden. Doch die Bestattung ist untypisch und mysteriös.
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An dieser Stelle sind die drei Skelette gefunden worden. Auch ein Keramikbecher und eine Silexklinge haben im Grab gelegen.
An dieser Stelle sind die drei Skelette gefunden worden. Auch ein Keramikbecher und eine Silexklinge haben im Grab gelegen. © Ausgrabungen Specht; BLfD/Voß

In der Erde bei Schweinfurt schlummert seit mehreren Tausend Jahren ein Rätsel - eigentlich ein ganzer Haufen an Rätseln. Der "Zufall", wie es Archäologe Andreas Büttner nennt, hat sie nun ans Tageslicht geholt: In Schnackenwerth haben Experten ein Grab aus der Schnurkeramik-Zeit gefunden.

Erster Fund aus dieser Zeit in der Gegend

Das Besondere: Gleich drei Menschen haben darin - entgegen dem damaligen Brauch - ihre letzte Ruhe gefunden. Auch Reste eines typischen Bechers mit Abdrücken einer geflochtenen Schnur lagen dabei.

Und damit beginnt die Suche nach Antworten, denn Rätsel Nummer 1: Bisher hat es in Ober- und Unterfranken keinen Nachweis aus dieser Kultur gegeben. Sie wird zwischen rund 2800 bis 2200 vor Christus datiert.

"Die Schnurkeramik ist eine jüngere Kulturstufe in der Jungsteinzeit"

Man habe bei den Grabungen gar nicht mit solch einem Fund gerechnet, sagte Andreas Büttner am Montag der AZ. Sondern vielmehr mit Funden aus der gut erforschten Linienbandkeramik.

Andreas Büttner, Archäologe
Andreas Büttner, Archäologe © privat

Der Archäologe arbeitet beim Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) mit Dienststelle Schloss Seehof bei Bamberg. Er sagt: "Die Schnurkeramik ist eine jüngere Kulturstufe in der Jungsteinzeit. Über sie weiß man nicht besonders viel." Sie sei in Europa weit verbreitet gewesen, ursprünglich kam sie aus dem Ukrainischen.

Viele Fakten sind noch unbekannt

In einzelnen Regionen gebe es jedoch überhaupt keine Siedlungsbauten aus dieser Zeit. "Dort weiß man überhaupt nicht: Wie haben diese Menschen gewohnt?" Waren sie möglicherweise wieder Nomaden ohne feste Häuser? Und das, obwohl es früher schon sesshafte Bauern gab? Könnten die nun gefundenen Menschen in Franken zu- oder auch durchgewandert sein?

Die gute Nachricht: Die moderne Technik kann auch nach so langer Zeit solche Migrations-Geheimnisse lüften. Eine Isotopenuntersuchung der Knochen soll enthüllen, wo diese Menschen ihre "ersten, entscheidenden Lebensjahre" verbracht haben.

Rätsel Nummer 2: In der Grabgrube lagen drei Menschen. "Ein Mann und eine Frau sind dort bestattet worden. Sehr ungewöhnlich", sagt Büttner. Üblich war damals eine Einzelbestattung.

Genanalysen sollen weitere Erkenntnisse bringen

Theoretisch könnte es plausible Erklärungen für die Doppelbestattung geben, etwa dass die beiden durch die Gegend zogen und gleichzeitig zu Tode kamen, so Büttner.

Aber: "Dann hat man offenbar ein paar Jahre gewartet, die Knochen und Sehnen hatten sich schon gelöst." Die Leichenteile seien dann zur Seite geschoben worden und erst dann wurde der vierjährige Bub darin bestattet. War es der kleine Sohn der Toten? "Das weiß man noch nicht", sagt Büttner. Er fügt an: "Noch nicht. Das können wir rausfinden, es ist aber ein aufwendiger Prozess." Stichwort: Genanalysen.

"Es könnte schon sein, dass hier ein verwandtschaftliches Verhältnis besteht"

Und damit zu Rätsel Nummer 3: Es sei schon ungewöhnlich, dass das Grab nochmal geöffnet wurde. Es stellt sich die Frage: War die letzte Ruhestätte von oben sichtbar? Wie hat man später gewusst, dass dort die Gräber waren?

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Und warum hat man genau dort auch den vierjährigen Buben beerdigen wollen? "Es könnte schon sein, dass hier ein verwandtschaftliches Verhältnis besteht und er ein paar Jahre später gestorben ist."

Nach einer Lösung kommen neue Fragezeichen auf

Bleibt noch Rätsel Nummer 4: Die Todesursache der drei Unbekannten - einen offensichtlichen Hinweis wie einen Schlag auf den Kopf oder eine Pfeilspitze im Rücken gibt es nicht. Auch hier werden anthropologische Untersuchungen nötig sein.

"Wir stehen ganz am Anfang", sagt Büttner. Die Arbeiten werden lange dauern. Ob das auch spannend für ihn als Archäologen ist? "Selbstverständlich, klar!" Aber er weiß aus Erfahrung: "In der Archäologie ist es oft so, dass man ein Rätsel löst und zwei neue Fragezeichen entstehen." Er lacht.

Mögen am Ende alle Fragezeichen verschwunden sein.

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2 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Der wahre tscharlie am 03.05.2022 15:27 Uhr / Bewertung:

    Spannend, und immer wieder interessantes Thema.

  • Stadtbummler am 03.05.2022 11:08 Uhr / Bewertung:

    Haben eigentlich 4000 Jahre alte Tote keinen Anspruch mehr auf eine ungestörte Totenruhe?

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