Anwohner retten Freibad im Allgäu: Das Wunder von Seltmans

Seltmans - Was für eine Aufregung, was für ein Auftrieb: Eine Drohne surrte übers renovierte Freibad in Seltmans, Kommandos schallten über die frisch gemähte Liegewiese, ein Reporter interviewte die anwesenden Mitglieder des "Fördervereins Freibad". Und alles, weil die inzwischen bundesweit bekannte Rettungsaktion für das beliebte Freibad eine regional begehrte Auszeichnung für besonderen ehrenamtlichen Einsatz erhielt.
Thomas Dölle und Ursula Fleschhut vom "Förderverein Freibad Seltmans" ließen die vergangenen zwölf Monate Revue passieren – von hitzigen Bürgerversammlungen über das Beinahe-Aus des Bades bis hin zu den rund 2500 Stunden freiwilliger und ehrenamtlicher Arbeit, die das "Schwimmbad-Wunder von Seltmans" erst möglich gemacht haben.
"Ihr könnt doch unser Bad nicht dichtmachen": Bürger wehren sich gegen Freibad-Schließung
Mehr als 400 Mitglieder unterstützen die Helfer mit Einsatz und Geld. Das nötigt auch Bürgermeister Florian Schmid Respekt ab: "Unsere Bürger zeigen ein bemerkenswert großes Engagement", sagte der Gemeindechef, der vor zwölf Monaten noch für die Schließung des über 60 Jahre alten Kult-Bades plädiert hatte. "Seltmans und Weitnau setzen damit bayernweit ein deutliches Zeichen!"
"Ihr könnt doch unser Bad nicht einfach dichtmachen!", hatten sich viele Bürger im vergangenen Sommer lautstark empört. Die Gemeinde wollte die altehrwürdige Anlage schließen, weil sie permanent Wasser verlor, nicht mehr dem neuesten Stand der Technik entsprach und immer mehr Geld kostete.
"Lasst unser Bad nicht sterben": Politik macht Rechnung ohne "Förderverein Freibad"
Das Landratsamt setzte den Bürgermeister unter Druck und das Ende der Badesaison als Termin für die Schließung. Doch Verwaltung und Politik hatten ihre Rechnung ohne die Bürger gemacht. Unter Führung des gelernten Technikers Thomas Dölle ("Ich hab in diesem Bad Schwimmen gelernt!") und der pensionierten Lehrerin Ursula Fleschhut ("Wenn das Bad geschlossen wird, verliert das Dorf die letzte Einrichtung für sein soziales Leben!") probten die Bürger den Aufstand. "Lasst unser Bad nicht sterben!" hieß ihr Motto, dem die Gemeindeverwaltung nichts entgegenzusetzen hatte.
Mehr als 400 Mitglieder traten in den "Förderverein Freibad" ein, spendeten Geld, halfen mit, die Anlage in Schuss zu bringen. Den Winter über wurden marode Leitungen ausgetauscht. "Wir sind alle mit diesem Freibad groß geworden", so Helfer Hubert Hüber, "da sind viele Emotionen mit im Spiel".
Aber auch praktische Gründe: Ohne das Freibad mit seiner 25-Meter-Bahn und den Planschbecken wäre kein Schwimmunterricht mehr möglich. "Eine Katastrophe für unsere Kinder!", so Rettungsschwimmer Norbert Hodruss.
Freibad in Seltmans: ein Treffpunkt für Jung und Alt
In diesem Sommer gibt es wieder Schwimmlehrgänge und es werden sogar Rettungsschwimmer ausgebildet. Felix Strobel (14) ist der Jüngste von ihnen: "Ich wohne direkt neben dem Bad, es wäre eine Schande gewesen, es zu schließen!" In den Sommermonaten ist das Bad der Treffpunkt für Senioren und Mütter mit Kindern. "Auch das wäre verschwunden", erzählt eine rüstige Dame, die jeden Morgen ihre Bahnen durchs solargeheizte Wasser zieht.
Jetzt sind sie alle froh, dass das kleine Schwimmbad gerettet ist. Zumindest vorerst. "Wir müssen jetzt einen Plan vorlegen, wie es weitergehen soll," sagt "Freibadretter" Dölle. Er ist inzwischen bundesweit in den Medien, gibt Interviews und hat Fototermine. "Unglaublich, was man erreichen kann, wenn man zusammensteht und gemeinsam handelt", sagt er und springt in das Schwimmbecken, das er und die Bürger vor dem "Badengehen" bewahrt haben.