Angst um unsere Jobs: AKW-Mitarbeiter leiden

Die AZ hat sich in Isar 1 umgehört. Dort heißt es: „Wir haben uns noch nicht aufgegeben”
Julia Lenders |
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ESSENBACH Für viele Menschen war es eine gute Nachricht: Der umstrittene Atommeiler Isar 1 geht vom Netz.

Immer wieder waren Sicherheitsbedenken gegen das AKW, das nahe Landshut liegt, laut geworden. Jetzt das Aus – vielleicht sogar für immer. Für die Mitarbeiter am Standort selbst war es keine gute Nachricht. „Kein Einziger versteht die Zweifel an der Sicherheit von Isar 1”, sagt Eon-Sprecher Johann Seidl. Ein Blick auf die Innenperspektive.

Diplom-Ingenieur Josef Pusl arbeitet seit 31 Jahren im Kernkraftwerk. Für ihn war es bedrückend, als der Reaktor gestern runtergefahren wurde. „Das hat uns allen hier einen Stich ins Herz gegeben. Wir haben uns mit der Anlage identifiziert”, sagt der 54-Jährige. Sie hätten alle eine gute Arbeit gemacht. Diese Überzeugung lasse er sich auch von niemandem nehmen.

Jetzt ist die Zukunft plötzlich ungewiss. „Wir haben Angst um unsere Jobs – vor allem diejenigen, die nur im Block 1 arbeiten”, erklärt Pusl. Er möchte weiter daran glauben, dass der Reaktor nach dem dreimonatigen Moratorium wieder anläuft – auch wenn er die Wahrscheinlichkeit für einen längerfristigen Betrieb für eher gering hält. „Wir haben uns noch nicht aufgegeben.”

Pusl ist überzeugter Atomkraft-Anhänger – was sonst? „Ich bin mit der Kerntechnik verwurzelt”, sagt der Ingenieur über sich. Er sehe mittelfristig keine Alternative zu dieser Energiequelle. Die Katastrophe in Japan bereitet freilich auch ihm große Sorgen. „Ich hätte nicht gedacht, dass so was passieren kann.”

Trotzdem hat er kein Verständnis für die Reaktion der deutschen Politik auf die Geschehnisse in Fukushima. Weder ein derart starkes Erdbeben noch ein Tsunami seien hierzulande denkbar. Isar 1 sei gegen alle Naturkatastrophen ausgelegt, behauptet er.

Auch die Kritik, der Meiler in Essenbach sei nicht ausreichend gegen einen Flugzeugabsturz gesichert, will Pusl nicht gelten lassen. „Einen entsprechenden Grundschutz haben weltweit vielleicht fünf Prozent aller AKW. Im Vergleich steht Isar 1 gut da.”

In anderen Ländern werde viel sachlicher über das Thema diskutiert. „Was bringt ein deutscher Alleingang?”, fragt der AKW-Mitarbeiter. „Wollen die Bürger lieber Strom aus Temelin?” Vor zwei Wochen hätten Ministerpräsident Seehofer und Umweltminister Söder noch keine Zweifel an der Sicherheit von Bayerns AKWs gehabt. „Und jetzt soll alles ganz anders sein?”, ärgert sich Pusl. „Die hängen ihr Fähnchen in den Wind.”

Egal wie der endgültige Beschluss über die Zukunft von Isar 1 lauten werde: Wahrscheinlich müsse der Meiler eh nochmal anlaufen. Die Kernbrennstäbe waren erst im Oktober erneuert worden. „Es kann sein, dass sie noch nicht ausreichend abgebrannt sind, um endgelagert zu werden.”

Christian Ginzinger ist Schichtleiter in dem AKW. „Es ist gerade wenig Zeit, um sentimental zu sein”, sagt er gestern, als die Anlage heruntergefahren wird. Der 38-Jährige kann alle Bürger verstehen, die der Atomkraft derzeit sehr skeptisch gegenüberstehen. Trotzdem hält er sie weiter für vertretbar. „Jetzt muss die Politik Nutzen und Risiko gegeneinander abwägen.” Ginzinger und all seine Kollegen sprechen derzeit nicht nur über ihre eigene Zukunft. Ihre Gedanken sind vor allem bei den Technikern, die in Fukushima den Wettlauf gegen die Zeit angetreten haben. „Das sind echte Helden.”

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